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Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)

Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
Autoren: Jacques Berndorf
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Quelle Sechs erfunden hat und durchführen ließ. Waterboarding ist da noch ein harmloser Spaß. Er ließ bei aufmüpfigen Gefangenen Holzkeile unter die Fingernägel treiben, die dann angezündet wurden. Wir haben auch von einer Geliebten gehört, die er austauschen musste, weil er ihr beide Arme aus den Schultergelenken gehebelt hatte. Die Frau starb durch den extremen Schmerz an einem Schock. Geh also um Himmels willen erst sicherheitshalber durch das gesamte Gebäude, ehe du dich um irgendetwas anderes kümmerst. Wir können nicht wissen, wer sich dort versteckt. Die Rückseite des Anwesens dürfte dich allerdings weniger interessieren. Da ist nur ein großer Swimmingpool. Also ist dort nichts zu finden. Das Anwesen endet an einer drei Meter hohen Betonmauer. Jenseits dieser Mauer ist ein breiter Streifen, auf dem in Friedenszeiten Soldaten patrouillierten, um die kostbaren Bewohner zu schützen. Dann folgt eine weitere Betonmauer zur nächsten Villa. Ich würde dir raten, dich auf das offene Gelände zwischen der Villa und der Straße zu konzentrieren. Achte auf Gitter und Schächte, aber Quelle Sechs kann auch darauf verzichtet haben. Anweisung ist: Du konzentrierst dich zuerst auf das Haus und triffst erst dann deine Entscheidung, wenn es sauber und leer ist. Können wir uns darauf einigen?«
    Müller ging also in engen Schleifen das Grundstück ab und achtete auf irgendwelche Unregelmäßigkeiten auf den Kieswegen und den Rasenflächen. Er fand keine.
    Sicherheitshalber trat er durch das Tor auf die Straße hinaus und ging auf dem Trottoir die gesamte Breite des Grundstücks ab. Auch dort keine Kanaldeckel, keine Zugänge zu irgendwelchen Schächten.
    Er grüßte flüchtig seinen Taxifahrer und rief: »Dauert nicht mehr lange.« Dann ging er auf das Grundstück zurück und direkt auf das Hauptgebäude im Hintergrund zu.
    Das Haus war ein zweistöckiger Riesenklotz, und es war nahezu leer. Es gab vertrauliche Berichte aus den diplomatischen Diensten an den BND über die Umfänge der Plünderungen vonseiten der Rebellen und der Bevölkerung. Es war bekannt geworden, dass die Rebellen die Villen bestimmten Gruppierungen überlassen hatten, die im Gegenzug Waffen und Munition schleppten, Maschinengewehre und Schnellfeuerkanonen reparierten und auch dafür sorgten, dass die Kämpfenden weit draußen in der Wüste mit Nahrung und neuer Munition versorgt wurden.
    Es gab aber auch eindeutige Hinweise darauf, dass aufgeputschte Rebellen Gaddafi-Anhänger erst entwaffnet und dann gleich gruppenweise erschossen hatten. Müller wusste also, dass seine möglichen Gegner nicht nur bei denen zu finden waren, die das Regime Gaddafi stützten, sondern auch bei denen, die sich schlicht in einem Machtrausch befanden und für die es geradezu atemberaubend faszinierend war, mit einer Waffe einen Menschen zu töten, einfach so.
    Müller beeilte sich, huschte von Raum zu Raum und war beunruhigt durch das laute Echo, das seine Schritte in den großen leeren Räumen verursachten.
    Die Lampen waren von den Decken und aus den Wänden gerissen worden und verschwunden, es gab überhaupt keine Möbel mehr, keine Schränke, keine Truhen, keine Sofas oder Sessel, keine Betten, nur noch die Reste von Regalen und kleinen Möbelstücken, die zu Bruch gegangen waren. Buchstäblich alles war herausgeschleppt worden, in drei riesigen Bädern gab es keine Spiegel mehr, und selbst die Waschbecken und Badewannen waren verschwunden.
    Ehe er in den Keller hinunterging, hielt er auf dem Treppenabsatz inne und horchte mit gesenktem Kopf in das Haus hinein. Das musste sein, es gehörte zur Routine und war Vorschrift. Das Ganze dauerte drei endlose Minuten lang. Er hörte nichts.
    Die Küche unter dem Haus war riesig, ebenso wie die begehbaren Kühlkammern. Es gab keinen Strom mehr, die Nahrungsmittel waren verschwunden, alle Türen standen weit auf, und die meisten Gerätschaften hatten wohl neue Besitzer gefunden.
    An einem langen Gang lagen sechs kleine Räume, in denen wahrscheinlich Angestellte gehaust hatten. Auch dort gab es nichts mehr, keine Kleinmöbel, keine Betten, keine Schränke, nur ein paar persönliche Fotos an den Wänden, auf denen Menschen unterschiedlichen Alters in die Kamera blickten, einige von ihnen mit einem gequälten Lächeln im Gesicht.
    »Wenn es irgendetwas zu verbergen gilt, dann kann Quelle Sechs das nur in dem Bereich zwischen dem Gebäude und der Straße versteckt halten. Er hatte bautechnisch keine andere Möglichkeit.
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