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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Gerit Bertram
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Körpersäfte nicht im Gleichgewicht waren, oder sah Knochenbrüche, die nicht heilten. In anderen Situationen empfand sie eine unerträgliche Hitze und spürte, wenn etwas Bösartiges jenen Körper zu zerfressen schien. Die Nächte, die sie schlaflos zugebracht und sich den Kopf über diese Angst einflößende Gabe zermartert hatte, konnte sie nicht mehr zählen.

6
     
    D as Christfest lag hinter ihnen, nun hielt der Winter die Stadt schon seit Wochen eisern in seinen Klauen. Trave und Wakenitz waren zugefroren, im Hafen lagen die Koggen und Lastkähne fest, eingeschlossen von einer dicken Eisschicht. Nur wer unbedingt musste, verließ in diesen Tagen sein warmes Haus, zu schmerzhaft brannte die bitterkalte Luft in den Lungen.
    Cristin setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, während sie über den Marktplatz schritt, auf dem Arm einen Weidenkorb mit zwei Kohlköpfen und einem Laib Brot. Auf dem Pflaster hatte sich über Nacht eine dünne, gefährliche Eisschicht gebildet, und an den Fenstern der Backsteinhäuser hingen dicke Zapfen, die im Licht der Vormittagssonne glänzten.
    Minna hatte wie ein Rohrspatz geschimpft, als Cristin sich angezogen hatte und in ihre Schuhe geschlüpft war. »In Eurem Zustand und bei diesem Wetter habt Ihr draußen nichts verloren, Herrin! Ihr werdet Euch den Tod holen!«
    »Ich weiß selber, was ich zu tun und zu lassen habe! Mach mir lieber die Trippen unter die Schuhe!«, war Cristins scharfe Antwort gewesen. Schärfer als beabsichtigt, schließlich meinte die alte Lohnarbeiterin es nur gut.
    Autsch! Eine klamme Hand auf den gewölbten Bauch gepresst, blieb sie stehen. Das Ungeborene war besonders aktiv an diesem Morgen, hatte ihr in den Magen getreten. Sie lächelte. Nicht mehr lange, und sie würde endlich Lukas’ Kind in den Armen halten. Als zwei Frauen sie grüßten, nickte Cristin ihnen zu und ging weiter. Sie achtete sorgfältig darauf, auf den glatten hölzernen Trippen, die ihre guten Lederschuhe vor der Nässe schützten, nicht ins Schlittern zu geraten. Der Korb wurde immer schwerer auf ihrem Arm.
    Kaum hatte sie die Haustür erreicht, fuhr ein stechender Schmerz jäh durch ihren Leib und zwang sie in die Knie. Cristin wimmerte. Ihr war, als jagte ihr jemand glühende Messer durch Rücken und Bauch. Wie von weit her vernahm sie das Poltern der aus dem Korb fallenden Kohlköpfe, die über die Straße rollten. Kalter Schweiß brach ihr aus den Poren. Mit beiden Händen klammerte sie sich an eine Hausmauer, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Der Schmerz hörte so plötzlich auf, wie er begonnen hatte. Stattdessen fühlte sie, wie etwas Warmes in einem Schwall aus ihr herausfloss, das ihr Unterkleid und Gewand benetzte und eine kleine Pfütze auf dem Pflaster hinterließ. Die Tür öffnete sich.
    »Frau Bremer! Da seid Ihr ja. Wo habt Ihr nur so lange …«, hörte Cristin eine vertraute Stimme und hob den Kopf.
    Minna erbleichte, als sie näher trat, und stieß einen derben Fluch aus. »Was macht Ihr nur für Sachen!«, schimpfte sie, doch das Zittern in ihrer Stimme war deutlich zu hören.
    Cristins Wangen wurden glühend rot. »Es … es tut mir leid. Ich habe das Pflaster beschmutzt. Und meine Kleider. Ich weiß auch nicht, wie …«
    »Habt Ihr Schmerzen?«, unterbrach die Lohnarbeiterin sie forsch.
    »Nein, nicht mehr.«
    »Mirke«, zischte sie der jungen Frau zu, die das Geschehen stumm verfolgte. »Benachrichtige die Wehfrau. Schnell! Dann schließe die Spinnerei, wir haben jetzt anderes zu tun.«
    Der jungen Spinnerin stand die Verwirrung ins Gesicht geschrieben, doch dann nickte sie und lief davon, als wäre der Leibhaftige persönlich hinter ihr her.
    Minna ergriff Cristins Arm. »Wir werden jetzt schön brav in Eure Kammer gehen. Das Kind möchte auf die Welt«, die Ältere zog ihre Herrin hinter sich her, ohne auf deren Einwände zu achten.
    »Meinst du wirklich, Minna?«
    Die Ältere lachte und tätschelte ihr die Hand. »Ja, ich weiß, wovon ich rede. Habe selbst elf Kinder auf die Welt gebracht. Nun hübsch langsam die Treppen rauf.«
    Cristin widersprach nicht, als die Lohnarbeiterin sie mit sanfter Gewalt durch die Tür schob, ihr die Schuhe von den Füßen streifte und sie aufs Bett setzte. »Was soll das? Mir geht es wieder gut.« Allerdings war ihr Bauch so hart und prall, als hätte sie eine Rübe verschluckt. Oder einen dieser riesigen Kürbisse, von denen Lukas ihr erzählt hatte. Das Atmen fiel ihr schwer. Minna erklärte ihr mit ruhiger
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