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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin
Autoren: Iny Lorentz
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umbringen und ihren Frauen schreckliche Dinge antun wollen.«
    Lea versuchte, sich Gretchens Griff zu entziehen. »Ich muss Vater warnen.«
    Gretchen warf einen abwehrenden Blick auf ihre jüdische Tracht. »So darfst du nicht mehr hinaus. Wartet, ich gebe euch Kleider von mir, damit man euch nicht als Judas Töchter erkennt.«
    »Aber …«, begann Rachel, doch da zerrte Gretchen schon an ihrer Kleidung. Lea besann sich einen Moment und nickte.
    »Es ist besser so. Wartet, ich …« Zu mehr kam sie nicht, denn in diesem Augenblick steckte eine alte Frau in schwarzer Witwenkleidung den Kopf zur Küchentür heraus.
    »Wer ist denn gekommen, Gretchen?« Dann erblickte sie die beiden Judenmädchen und stieß einen schrillen Schrei aus.
    »Bist du übergeschnappt, diese Teufelshuren ins Haus zu lassen?«
    »Schwiegermutter, das sind Lea und Rachel, die Töchter Jakob Goldstaubs aus Hartenburg, desselben Mannes, der meine Mitgift bezahlt hat. Wir müssen sie bei uns verbergen und Meister Jakob warnen.«
    Das Gesicht der Alten verzog sich zu einer höhnischen Grimasse. »Einen Dreck werden wir tun! Wenn die Nachbarn mitbekommen, dass du Israels sündhafte Brut ins Haus gelassen hast, stecken sie uns das Dach über den Kopf an.«
    Gretchen hob beschwichtigend die Hände. »Es hat niemand etwas gesehen. Aber wenn du die beiden jetzt aus dem Haus treibst, werden die Leute sie gewiss fragen, was sie hier zu suchen hatten.«
    Die alte Pfeifferin nickte widerwillig. »Das ist wohl richtig. Da sie schon einmal im Haus sind, müssen sie auch hier bleiben.
    Aber die heidnischen Fetzen, die sie jetzt anhaben, kommen herunter.«
    »Ich bin schon dabei, ihnen Kleider von mir zu holen«, rief Gretchen eilfertig.
    Lea sah, wie viel Angst die Freundin vor ihrer Schwiegermutter hatte, doch da ihr das Schicksal ihres Vater und ihrer Brüder mehr am Herzen lag als Gretchens Wohlergehen, hielt sie sie kurzerhand zurück.
    »Ich muss hinaus und meinen Vater warnen!«
    Ihre Worte veranlassten die Alte zu einem weiteren Wutausbruch. »Oh nein! Glaubst du, ich lasse zu, dass du die Leute provozierst? Wenn sie dich hier herauskommen sehen, werden sie unser Haus plündern und uns Frauen Gewalt antun! Macht, dass ihr in den Keller kommt und euch umzieht. Die Lumpen, die ihr auf dem Leib habt, müssen sofort verbrannt werden, damit man keine Spur davon bei uns findet. Und wenn euch jemand anspricht, antwortet gefälligst mit ›Gelobt sei Jesus Christus!‹ und sagt kein Wort in eurer heidnischen Sprache, habt ihr mich verstanden?«
    Die Frau sah so aus, als würde sie mit den Kleidern auch gleich die unwillkommenen Gäste verbrennen wollen, aber Lea ließ sich nicht einschüchtern.
    »Bitte gebt mir ein anderes Gewand und lasst mich hinaus. Ich kann nicht hier herumstehen, während meine Verwandten in Gefahr sind.«
    Gretchen umklammerte ihren Arm. »Dafür ist es schon zu spät!
    Los, versteckt euch in unserem früheren Weinkeller. Dort wird euch niemand suchen.« Dann brachte sie ihren Mund an Leas Ohr, damit die alte Frau ihre nächsten Worte nicht hören konnte. »Ich laufe hinüber und warne deinen Vater. Er ist ein guter Mensch.«
    Sie drängte die beiden Schwestern in einen dunklen Winkel, hob eine Falltür an und wies nach unten.
    Lea schenkte Gretchen einen dankbaren Blick und stieg vorsichtig die schmalen Stufen hinab, die steil in ein diffuses Halbdunkel führten, in dem man kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Es gab nur ein winziges, vergittertes Fenster, welches sich an der höchsten Stelle des tonnenförmig gewölbten Raumes befand und so wenig Licht durchließ, dass der untere Teil des Raumes in tintiger Schwärze lag. Lea hörte Rachel über sich jammern und trat einen Schritt beiseite, damit ihre Schwester von der. wackligen Treppe auf den Boden treten konnte. Dabei stieß ihr Schienbein gegen ein Holzgestell, das krachend umfiel. Vor Schreck und Schmerz verlor sie das Gleichgewicht und landete mit den Händen in etwas Fauligem. Angeekelt richtete sie sich auf und sah zu Gretchen hinauf.
    »Bitte zieht alles aus, was euch verraten könnte. Ich bringe euch gleich andere Kleider«, hörte sie die Freundin rufen, während sich ihre Schritte entfernten.
    Rachel zerrte an Leas Ärmel. »Hier stinkt es. Außerdem kann ich nichts sehen! Wie soll ich da die Bänder an meinen Sachen aufknoten?«
    Lea kniff die Lider zusammen, bis sich ihre Augen so weit an die Dunkelheit gewöhnt hatten, dass sie Konturen erkennen konnte. »Hab einen
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