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Die goldene Galeere

Die goldene Galeere

Titel: Die goldene Galeere
Autoren: Ernst Vlcek
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ihr Zutrauen augenblicklich in Verachtung umschlagen könnte, wenn sie unvorbereitet erfuhr, dass er ihren Vater als Bürgen auf der Goldenen Galeere zurückzulassen gedachte. Nyala tat alles mit solcher Leidenschaft, dass sie in ihrem Hass vermutlich ebenso unerbittlich war wie in ihrer Liebe und Verehrung rückhaltlos.
    »Was hast du, Mythor?« fragte ihn Nyala, als sie am Morgen des folgenden Tages mit ihm an Deck ging. »Seit deinem Gespräch mit Prinz Nigomir erscheinst du mir seltsam verändert.«
    Er stand an der Bordwand und spähte über das ruhige Meer. Obwohl eine steife Brise das Segel mit dem elfeckigen Stern mächtig blähte, war der Wellengang nur mäßig.
    Die Sicht war gut, aber sosehr Mythor seine Augen anstrengte, er konnte kein Land sehen. Mythor schwieg auf Nyalas Frage, aber sie dachte nicht daran, ihn seinen Gedanken zu überlassen. Sie suchte seine Hand, die ein Tau umschloss.
    »Glaubst du Nigomirs Versprechen denn nicht, dass er uns an Land absetzen wird?« fragte sie weiter. »Dabei hast du ihn mir als Ehrenmann beschrieben, der zu seinem Wort steht. Was er auch getan hat, so fühle ich doch, dass er kein schlechter Mensch war - und auch nicht dazu geworden ist. Was ist es also, das dich verstimmt?«
    Ich verachte mich selbst, dachte er. Ich hätte nicht über Herzog Krude verfügen dürfen. Er dachte fieberhaft über eine Möglichkeit nach, aus diesem Pakt auszusteigen, ohne wortbrüchig zu werden. Und in diesem Sinn sagte er: »Es wäre nötig, Drundyr zu beseitigen.«
    »Nein, Mythor«, sagte Nyala entsetzt. »Und wenn der Caer- Priester noch so tief schläft, so bist du ihm nicht gewachsen. Noch nicht!«
    »Ich weiß«, sagte Mythor. »Ich war nachts wieder unter Deck und habe nach dem Dämonenpriester gesehen. Er ist noch nicht wieder bei Besinnung. Aber mein Vorhaben, ihn aus seinem Sarg zu holen und durch eine Luke ins Meer zu stoßen, konnte ich wieder nicht durchführen.«
    »Versprich mir, dass du es nie mehr versuchen wirst, Mythor«, verlangte Nyala. »Du bist die Hoffnung aller aufrechten Menschen unserer Welt. Du darfst dein Leben nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Versprich mir das!«
    Er tat es wortlos. Mit einem Nicken und einem besiegelnden Kuss auf ihren Mund.
    Mythor schreckte auf, als er über sich einen heiseren Laut vernahm. Dort erblickte er einen der Seelenlosen, der rittlings auf der Rah saß und ein Tau festziehen wollte. Aber er wankte, schien auf einmal nicht mehr die Kraft zu haben, sich auf der Segelstange zu halten. Mit einem letzten krächzenden Laut kippte er zur Seite und fiel in flachem Bogen ins Meer.
    Im ersten Moment wollte Mythor nachspringen, um dem Geschwächten zu Hilfe zu kommen. Aber Nyala hielt ihn zurück. Und dann schlugen die Wellen über dem Mann zusammen; das nasse Element hatte ihn verschlungen. Die verbliebenen Seeleute zeigten keine Regung. Da flog die Tür der Kapitänskajüte auf, und Nigomir kam mit ächzenden Gelenken herausgestürzt. Er beugte sich über die Bordwand und starrte ins Meer.
    »Ist der Mann durch meine Schuld über Bord gegangen?« fragte Nyala und hob unvermittelt den weiten Ärmel ihres Kleides vors Gesicht.
    »Nein«, sagte Prinz Nigomir, ohne sie anzusehen. »Meine Männer wissen nun, dass du nicht Karen bist. Dein Anblick macht ihnen nichts mehr aus. Sie sind nur geschwächt.« Er warf Mythor einen durchdringenden Blick aus seinen dunkel lodernden Augen zu und sagte: »Es muss etwas geschehen, damit sie zu neuen Kräften kommen.« Damit wandte er sich ab und stieg die Stufen zu den Heckaufbauten hoch. Er begab sich geradewegs zum Bugspriet und starrte auf die Galionsfigur, die seine über alles geliebte Stiefschwester Karen darstellte. So konnte er Stunden und vermutlich auch Tage zubringen. »Was hat er damit gemeint?« fragte Nyala. Mythor blickte in östlicher Richtung aufs Meer hinaus. Dort war noch immer kein Land in Sicht. Statt ihr die Frage zu beantworten, legte er ihr den Arm um die Schultern und führte sie zu ihrer Kajüte, die sie sich immer noch zu dritt teilten.
    »Geh zu deinem Vater und achte auf ihn«, sagte er. »Du darfst nicht von seiner Seite weichen, egal was passiert. Er braucht deine Pflege und deinen Schutz.«
    »Du sprichst so seltsam, Mythor«, sagte sie mit banger Stimme. »Hast du Grund, um das Leben meines Vaters zu fürchten?«
    »Sein Leben ist nicht bedroht«, versicherte Mythor. »Aber er ist noch nicht wieder wohlauf, und sicher wird der Anblick seiner Tochter dazu beitragen,
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