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Die goldene Galeere

Die goldene Galeere

Titel: Die goldene Galeere
Autoren: Ernst Vlcek
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Wesen zu begegnen. Die Nacht verbrachten sie in einem verlassenen Tierbau, einer großen Erdhöhle, die sie jedoch im Morgengrauen verlassen mussten, als es zu regnen begann und sich die Höhle mit Wasser füllte.
    Fahrna hatte die ganze Nacht über in ihren Schriftstücken gelesen und dabei einige ihrer selbstleuchtenden Runenstücke zu Hilfe genommen. Bei ihrem plötzlichen Aufbruch hatte Sadagar sie gefragt, wann sie eigentlich schlafe, und sie hatte geantwortet, dass sie das untertags im Gehen tue. Tatsächlich stellte er dann fest, dass sie ihm mit geschlossenen Augen folgte und den ganzen Tag unansprechbar war.
    Die folgende Nacht wanderten sie durch, bis sie das bewaldete Hügelland erreichten, das sie aus der Ferne gesehen hatten. In der Morgendämmerung stießen sie auf, eine verfallene Mühle, die zwischen bemoosten Felsen am Fuß eines Wasserfalls stand. Es dauerte jedoch eine ganze Weile, bis sie sich getrauten, sich der verfallenen Hütte zu nähern und sie zu betreten. Denn die Luft war von einem unheimlichen Singen erfüllt, das sich ständig veränderte. Manchmal wurde es schwächer, so dass es kaum zu hören war, dann wieder schwoll es zu einem lauten Wehklagen an. Aber immer hörte es sich wie das Jammern verlorener Seelen an.
    Sadagar mutmaßte, dass dies ein Ort Schwarzer Magie sei oder dass es sich um einen Kriegerfriedhof handle, an dem irgendwelche Helden einen unehrenhaften Tod gefunden hatten. Für diese beiden Möglichkeiten sprach, dass rund um die verlassene Mühle kaum Pflanzen wuchsen. Es gab in weitem Umkreis auch keine Bäume, nur eine Reihe von ausgehöhlten Baumstümpfen - ein wahrer Nistplatz für Geister.
    Fahrna ließ sich jedoch nicht einschüchtern und sah sich an diesem gespenstischen Ort ganz unerschrocken um. Sie fand schließlich in einem der hohlen Baumstümpfe ein menschliches Skelett. Es war in hockender Stellung, die Arme vor der Brust überkreuzt, in den hohlen Baum gezwängt worden.
    »Manche Völker bestatten so ihre Toten«, sagte Fahrna dazu. »Sie glauben, dass dann deren Seelen leichter in die obere Welt des ewigen Lichts eingehen können.«
    »Die Seele dieses Toten hat aber keine Ruhe gefunden«, behauptete Sadagar und lauschte dem unheimlichen Wispern, das mit dem aufkommenden Wind lauter geworden war und von überall zu kommen schien.
    Aber auch dafür hatte Fahrna eine einfache Erklärung zur Hand. »Es ist der Wind, der das Singen erzeugt, wenn er durch die hohlen Bäume fährt, Steinmann Sadagar. Er spielt dabei wie auf einem Blasinstrument. Mach dich also nicht zum Narren. Was der Wind kann, das kannst du auch. Versuch es einmal.«
    Zögernd kam er ihrer Aufforderung nach und begab sich zu einem der ausgehöhlten Baumstümpfe. Er beugte sich darüber und stieß einen langgezogenen Laut aus. Sofort wurde das Geräusch zu einem klagenden Ruf verstärkt und scholl als Heulen über die Lichtung vor der verfallenen Mühle.
    »Wie bist du dahintergekommen, Fahrna?« wollte Sadagar wissen.
    »Auf meinen Reisen bin ich einmal zu einer Orakelstätte gekommen, wo sich die Priester dieses Tricks bedienten, um so die Stimmen der Götter nachzuäffen«, antwortete die Runenkundige. »Wäre das nicht auch etwas für dich?«
    »Dieser Ort ist zu abgelegen, um ihn zur Stätte meines Wirkens zu erwählen«, erwiderte Sadagar.
    Er suchte die Hütte auf, um sich einen Platz zum Schlafen herzurichten. Die unermüdliche Fahrna aber begab sich oberhalb des Wasserfalls, um dort ungestört ihrer Beschäftigung mit ihren geheimnisvollen Aufzeichnungen nachgehen zu können.
    Sadagar verfiel sofort in tiefen Schlaf. Irgendwann hatte er den Eindruck, dass Fahrna ihn weckte, aber er war sich nicht sicher, ob er das nicht nur träumte. Denn was sie sagte, drang nur wie aus weiter Ferne zu ihm.
    »Steinmann Sadagar!« raunte ihre Stimme. »Steinmann Sadagar, wach auf! Ich habe einige Aufzeichnungen entziffert und glaube, einen deutlichen Hinweis auf die Runenbotschaft der Königstrolle gefunden zu haben. Der Weg führt ziemlich sicher zu.«
    Er erinnerte sich seines Schimpfens über die Ruhestörung und glaubte, Fahrna von sich gestoßen zu haben. Dann schwanden diese Eindrücke, und sein Schlaf wurde wieder traumlos. Aber sein Geist wollte einfach keine Ruhe finden, und so wurde der Körper neuerlich um den so dringend benötigten Schlaf gebracht.
    Sadagar fühlte sich noch immer wie gerädert, als Geräusche an sein Ohr drangen. Es hörte sich wie das Rascheln von Schritten an, und es
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