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Die goldene Galeere

Die goldene Galeere

Titel: Die goldene Galeere
Autoren: Ernst Vlcek
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seine Genesung zu beschleunigen.«
    Nyala wollte noch etwas einwenden. Aber dann biss sie sich auf die Lippen und verschwand in der Kajüte. Mythor wusste, dass er ihre Besorgnis nicht hatte zerstreuen können, aber noch hatte sie solch starkes Zutrauen zu ihm, dass sie ihm blind gehorchte.
    Er hieb mit der Faust gegen die versteinerte Bordwand, dass seine Knochen krachten. Den Schmerz spürte er kaum. Viel schlimmer war die Enttäuschung über das eigene Versagen.
    Von Westen zogen schwere, dunkle Wolken auf und vereinigten sich mit der von Osten einfallenden Dämmerung zur Nacht. Ein Sturm kam auf und schob Brecher heran, die backbords gegen die Goldene Galeere schlugen.
    Der Steuermann stand wie eine Statue am Ruder; ihn schien nichts erschüttern zu können. Er hatte das Schiff sicher im Griff. Einer der Hohlwangigen entzündete am Bug eine Fackel, wo Prinz Nigomir immer noch kauerte und die Galionsfigur anstarrte. Mythor fragte sich, welche Gedanken ihn in Bann geschlagen hatten. Vielleicht durchlebte er in seinem Geist die blutige Tat an seiner Stiefschwester.
    Die Mannschaft, die ohne den Steuermann nur noch aus fünf Seeleuten bestand, reffte das Segel. Das Leinen knallte immer wieder im Wind, und die Seelenlosen hatten große Mühe, seiner Herr zu werden.
    Mythor hatte sich einmal in Nigomirs Kabine geschlichen und versucht, von der Karte ihren Standort abzulesen. Aber Nigomirs Berechnungen und Eintragungen waren ihm schleierhaft. Als er daraufhin den Prinzen angesprochen hatte, um ihn zu fragen, wann endlich Land in Sicht komme, hatte er keine Antwort bekommen. Sofort war einer der Seelenlosen zur Stelle gewesen und hatte ihn mit dem Keulenende der Hakenlanze zurückgedrängt.
    Die meiste Zeit des Tages hatte sich Mythor an Deck aufgehalten. Einige Male hatte er nach Nyala und ihrem Vater gesehen. Herzog Krude war noch immer sehr schwach, und das Sprechen fiel ihm schwer. Die meiste Zeit döste er einfach vor sich hin. Nyala war wegen des Zustands ihres Vaters besorgt und glaubte, dass er sich verschlechtert habe. Doch Mythor konnte sie beruhigen. Er fand, dass der Herzog ganz normal aussah. Seine geheimen Befürchtungen teilte er Nyala nicht mit.
    Es gefiel Mythor nicht, dass Nigomirs Männer nach einer kurzen Schwächeperiode nun wieder zu Kräften gekommen waren. Er fragte sich gerade, aus welchem Quell sie diese Kraft geschöpft haben mochten - da ging die Kajütentür auf.
    Nyala erschien darin und rief seinen Namen. Es klang entsetzt. Er machte hinter ihr einen Schatten aus und war sogleich zur Stelle. Mythor war erleichtert, als er erkannte, dass der sich bewegende Schatten kein anderer als Herzog Krude war. Er hatte schon befürchtet, dass Drundyr zu sich gekommen und auf magische Weise in die Kajüte gelangt war.
    »Vater geht es nicht gut«, sagte Nyala gehetzt. »Irgendetwas Schreckliches geschieht mit ihm.«
    Durch das Bullauge fiel etwas Fackellicht ein, so dass auch Mythor sofort erkannte, welche Veränderung im Gesicht des Herzogs vor sich gegangen war.
    Es war nicht mehr wohlgenährt, die fleischigen Backen, die nach den Anstrengungen der vergangenen Tage schlaff herabgehangen hatten, waren nun gänzlich verschwunden. Sein Gesicht war eingefallen, die Wangen hohl, und die Augen lagen nicht mehr in Fettpölsterchen eingebettet, sondern verschwanden tief in den Höhlen.
    »Ich habe geschlafen und wurde durch unheimliche Geräusche geweckt«, erzählte Nyala mit sich überschlagender Stimme und drückte sich in den Winkel neben der Tür. »Ich habe geglaubt, einer der Seelenlosen wolle mich heimsuchen. Aber dann sah ich, dass es Vater war, der die Koje verlassen hatte. Er gibt die gleichen Geräusche von sich wie die Seelenlosen.«
    »Leg dich wieder hin, Herzog Krade«, redete Mythor Nyalas Vater zu. Als er Hand an ihn legte, um ihn in Richtung der Kojen zu drehen, hob der Herzog den Arm und schlug Mythors Hand weg. Dabei entstand ein Geräusch, das sich anhörte, als scharrten Gelenkknochen gegeneinander. Und des Herzogs Atem ging rasselnd.
    »Ist mein Vater, ist er ein Opfer des Fluches?« fragte Nyala.
    Mythor ergriff den Herzog mit beiden Händen an den Oberarmen und ließ sich diesmal nicht wieder abschütteln. Es kostete ihn nur wenig Anstrengung, den Widerstand des alten Mannes zu brechen, der durch den Einfluss magischer Kräfte noch zusätzlich geschwächt schien. Er drückte ihn in die Koje und ließ ihn erst los, als er sich ausstreckte. Mythor zog die Hände schnell zurück, denn
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