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Die goldene Galeere

Die goldene Galeere

Titel: Die goldene Galeere
Autoren: Ernst Vlcek
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die vom Herzog ausgehende Kälte hatte sie ganz gefühllos gemacht.
    »Was geschieht mit ihm, Mythor?« fragte Nyala und schob sich neben ihn. Sie streckte die Hände nach ihrem Vater aus, zuckte jedoch sofort wieder zurück. »Er ist so unnatürlich kalt. Was bedeutet das, Mythor?«
    »Ich fürchte, es ist meine Schuld«, sagte Mythor schweren Herzens. Er richtete sich auf und erwiderte Nyalas ungläubigen Blick.
    »Du?« fragte Nyala verständnislos. »Warum solltest du dich am Zustand meines Vaters schuldig fühlen müssen? Du hast doch nichts getan.«
    »Doch, Nyala«, beharrte Mythor fest. »Ich habe mich eines schweren Vergehens schuldig gemacht. Meine einzige Entschuldigung ist, dass ich nicht wusste, welch schlimmes Schicksal ich damit für deinen Vater heraufbeschwören würde.«
    Nyala schüttelte ungläubig den Kopf. »Nein«, sagte sie. »Wessen du dich auch bezichtigen willst, ich glaube es nicht. Du trägst doch den Funken des Lichtboten in dir. Du bist.«
    Er legte ihr die Hand auf den Mund. »Sag es nicht, ich bin dieses Namens nicht würdig. Ich habe schwer gefehlt, als ich Prinz Nigomir versprach, deinen Vater als Bürgen auf der Goldenen Galeere zurückzulassen, wenn er uns an Land bringt.«
    »Das. das kannst du nicht getan haben, Mythor. Nicht du!«
    »Doch. Es ist die Wahrheit.«
    Er sah, welcher Kampf der Gefühle in ihrem Gesicht tobte.
    Auf einmal löste sich ihre Verkrampfung in einem Schrei, und sie stürzte sich auf ihn. Sie trommelte wie von Sinnen auf ihn ein, schlug nach seinem Gesicht und bohrte ihm die Fingernägel ins Fleisch. Mythor ließ es ohne Gegenwehr mit sich geschehen.
    Nyala ließ unvermittelt von ihm ab, drehte sich mit wimmerndem Schluchzen ab und sank in die Koje ihres Vaters.
    »Du Elender! Hinterhältiger, erbärmlicher Verräter«, kam ihre Stimme gedämpft. Sie war im Augenblick bar jeglicher Gefühle. Als sie sich ihm zuwandte, da war ihr Gesicht jedoch von unbändiger Wut verzerrt. Und ihre Stimme war von der gleichen Leidenschaft gezeichnet, als sie sagte: »Ich habe dich geliebt, ich habe dich verehrt. Aber jetzt hasse und verachte ich dich. Ich verabscheue dich so sehr, wie ich dich geliebt habe.«
    Sie erhob sich, taumelte jedoch und musste sich mit dem Rücken abstützen. Mythor wollte ihr behilflich sein, aber dann sah er den Ekel in ihrem Gesicht und ließ es bleiben.
    »Rühr mich nicht an!« sagte sie fauchend. »Ich wünsche dir alles erdenklich Böse, Mythor! Ich werde dich vernichten! Das gelobe ich.«
    »Ich wollte das nicht, Nyala«, sagte Mythor und kam sich dabei verloren und hilflos vor. »Wenn ich geahnt hätte, was mit deinem Vater passieren würde, hätte ich mich nie auf diesen Handel eingelassen.«
    »Ist das deine ganze Rechtfertigung?« Verachtung sprach aus ihrer Stimme. »Ich kann deine Nähe nicht mehr ertragen, Mythor.« Sie zwängte sich an ihm vorbei zur Tür. »Ich lasse dich mit deinem Opfer allein. Du kannst die Totenwacht halten!« Damit verließ sie die Kajüte.
    Mythor blickte zu Herzog Krude, der röchelnd in der Koje lag. In diesem Moment wäre er bereit gewesen, sich selbst zu opfern, um dem Herzog zu Wärme und Leben zu verhelfen.
    Aber der Lauf der Dinge ließ sich nicht mehr ändern, das Verhängnis war nicht mehr abzuwenden.
    *
    Der Sturm zerrte an ihr, und sie fand auf den schwankenden Schiffsplanken kaum Halt. Gischt spritzte ihr ins Gesicht, aber das kalte Wasser konnte sie nicht kühlen. Ihre Hand glitt an der glitschigen Bordwand ab, die Kälte ließ ihr Fleisch erstarren. Schmerzhaft gruben sich ihr die Taue in die Handflächen.
    Das Unwetter entsprach genau dem Vorgang in ihrem Inneren. Wenn jetzt eine Flutwelle käme und mich über Bord schwemmte , dachte sie, dann wäre ich eins mit den Elementen.
    Aber diese romantische Vorstellung erfüllte sich nicht. Ihre Träume waren nie Wirklichkeit geworden. Auch ihr letzter Traum, der ihr so nahe der Verwirklichung schien, war zu nichts zerplatzt.
    Mythor, mein Traum - mein Meuchelmörder...
    Sie war so fest davon überzeugt gewesen, dass er der Sohn des Kometen war, dessen Ankunft die Legende in einer Zeit großer Not verhieß. Er konnte es nicht sein. Ihr Vater hatte wohl recht gehabt, dass sie eine unverbesserliche Schwärmerin war. Sie hatte nie auf ihn gehört, war ihre eigenen traumverschlungenen Pfade gegangen, selbstsüchtig und selbstherrlich gegenüber allem, was ihr zu Füßen lag, aber empfangsbereit und aufopfernd für alles Unerreichbare. Sie hatte geschwebt,
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