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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein
Autoren: Gabriele Beyerlein
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immer spielen sie mit denen, sie wollten, daß wir mitkommen, aber was sollen wir dort, die reden da ja nicht einmal unsere Sprache!«
    Das Dorf von den anderen . . .
    Es lag auf der anderen Seite des Flusses. Gewöhnlich war der Fluß klein und schmal, leicht zu durchqueren. Doch in den letzten Tagen hatte es wolkenbruchartig geregnet. Der Fluß mußte Hochwasser führen...
    Sie rannte. Erreichte den Fluß, er war über die Ufer getreten, mit Entsetzen sah sie die rasche Strömung.
    Die Furt war ungangbar.
    Waren die Kinder etwa geschwommen? Wie leicht konnten sie abgetrieben worden sein, mitgerissen bis zu den Stromschnellen, den gefährlichen Strudeln –
    Ritgo, mein Bruder, was soll ich tun, warum bist du jetzt nicht da –
    Sie rannte, suchte das Ufer ab, das Wasser.
    Da erblickte sie die beiden, mitten auf dem Fluß.
    Sie knieten auf einem kleinen Floß aus zusammengebundenen Baumstämmen. Ein rundlaufendes Seil war gespannt vom einen Ufer zum andern, das Floß an dem Seil verknotet. Die beiden Kinder hangelten sich an dem Seil mit dem Floß durch das Wasser.
    Wenn ihre Kräfte sie verließen, wenn die Strömung zu schnell wurde, wenn das Seil riß –
    Sie konnte nichts tun als am Ufer stehen und warten und sich ängstigen um die zwei.
    Das Seil hielt. Strahlend sprang Ri-Wirrkon vom Floß, Wasser spritzte auf, sie hielt ihm die Hand hin, dann Gilai, stieß beide ans Ufer.
    Die ausgestandene Angst schlug in Zorn um. »Wie konntet ihr so leichtsinnig sein«, schrie sie die Kinder an, »ihr seid viel zu klein für solch ein Floß, ihr hättet ertrinken können!«
    Ri-Wirrkon schob trotzig die Unterlippe vor und schwieg.
    Gilai aber legte die kleine Hand in die ihrer Mutter und sagte: »Hab keine Angst, Mutter. Ri-Wirrkon ist stark. Ri-Wirrkon weiß, was er tut!«
    Stark ist er, das stimmt. Aber weiß er wirklich, was er tut?
    »Übrigens, eh' ich es vergesse«, begann Gilai nach langer Pause nebenher, »ihr kommt doch mit dem Schlachten auch ohne mich zurecht, es ist nämlich so, ich wollte, ich bin«, sie geriet ins Stocken, wurde flammend rot und machte sich am Feuer zu schaffen, »ich bin heut nacht nicht zu Hause.«
    Ist sie also soweit. Meine Tochter. Warum auch nicht. Sie ist alt genug und schon lange mit Klobo versprochen.
    Dennoch war ein leises Schwanken in Haibes Stimme, als sie sagte: »Schon recht, Gilai!«
    »Danke.« Die Tochter hob nicht den Kopf. »Ich geh' dann mal!«
    Haibe sah ihr nach: Ich wünsche dir Glück, meine Tochter! Hoffentlich erlebst du mit Klobo, was ich mit Zirrkan erleben durfte.
    Gilai und Klobo
    Wenigstens dieser Traum ging in Erfüllung. Mit Gilai und Klobo würde der Bund zwischen den Dala und den Koa neu geschlossen werden.
    Dieser Gedanke gab Haibe wieder Zuversicht. Tatkräftig langte sie zu, als Ri-Wirrkon mit den Jungen den Auerochsen auf einem Karren ins Dorf gefahren hatte. Der Regen hatte aufgehört, sie konnten den Stier im Licht der untergehenden Sonne auf dem Dorfplatz schlachten, im Fackelschein kochten sie das Blut mit Fleisch- und Fettbrocken zu einem dicken Brei. Nach und nach fanden sich alle Dorfbewohner um das Feuer ein. Alle Dala. Alle Koa. Auch Klobo. Aber nicht Gilai.
    Haibes Mund war trocken. Sie sah Klobo an, forschte in seinem Gesicht. Ehe sie die Frage stellte, ahnte sie schon die Antwort, dennoch mußte sie es von ihm hören: »Wo hast du Gilai gelassen, will sie nichts essen?«
    »Gilai? Wieso?« fragte er. »Ich hab' sie nicht gesehen, ist etwas mit ihr?«
    Rotes Licht hinter geschlossenen Augenlidern. Bad wohltuender Wärme, das durch Haut, Muskeln und Knochen bis ins Innerste drang. Tiefe Ruhe.
    So alt mußte sie werden, um zu den einfachen Freuden zurückzufinden.
    Kühlender Schatten legte sich auf ihr sonnendurchglühtes Gesicht.
    »Mutter, störe ich dich?«
    Haibe öffnete die Augen. »Nein, Gilai, du störst nicht. Setz dich her zu mir! Ich genieße nur die Sonne.«
    Die Tochter ließ sich neben ihr am Boden nieder und lehnte wie sie den Rücken an die warme Hauswand. Haibe betrachtete das Mädchen von der Seite, verbot sich die Regung allzu-sehr Besitz ergreifender Zärtlichkeit, mit der es sie die Hand der Tochter zu fassen drängte.
    Wie immer, wenn sie Gilai ansah, dies Staunen: Das ist meine Tochter. Nach allen Kindern, die ich verloren habe, wurde mir noch einmal eine Tochter geschenkt. Und sie wuchs auf mit Zirrkan als Muga und Großem Oheim in einem. Die Tochter meiner Liebe.
    Wie ähnlich sie Naki manchmal sieht, in Augenblicken
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