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Die Götter von Freistatt

Die Götter von Freistatt

Titel: Die Götter von Freistatt
Autoren: Robert Asprin
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Genausowenig konnte sie gewußt haben, wo er heute nacht hin wollte, denn dazu hatte er sich soeben erst entschlossen (und das, ohne es selbst sich ganz einzugestehen!). Nun, sie war Mondblumes Tochter ...
    Dumm, umständlich, sinnlos, dachte er, während er den Krug in einen Öltuchbeutel gab, den er sich im Basar angeeignet hatte. Er befestigte ihn an seinem Gürtel, so daß er hoch auf einer Gesäßbacke zu ruhen kam. Jetzt berührte er noch schnell die Sandale Thufirs, die er sich über die Tür genagelt hatte, und ging davon.
    Die weiß glühende Sonne hatte sich schon vor Stunden in ihrer täglichen Wanderung über den Himmel gelb und dann orange gefärbt. Nun kauerte sie tief am Horizont und schickte die letzten blutroten Strahlen zu dem sich allmählich verdunkelnden Himmel. Nein, das Abendrot sah nicht aus wie Blut, sagte sich Hanse. Außerdem wurde es bald ganz dunkel, und dann wären seine Freunde überall, in Schwarz, Tintenblau und Holzkohlengrau - seine Freunde, die Schatten.
    Ich könnte ein gutes Schwert gebrauchen, dachte der Schatten und verschmolz mit einem echten. Mignureals Rat war ihm immer noch unheimlich. Gewiß verdiente noch nicht einmal dieser Kurd ätzenden Kalk. Ah, dieses lange »Messer« aus dem Ilbargebirge ist auch kein schlechtes Werkzeug, dachte er, um sich abzulenken. Aber trotzdem wird es Zeit, daß ich mir ein gutes Schwert verschaffe!
    Ich werde eins stehlen.
    »Du wirst ein Schwert bekommen«, erklang eine Stimme in seinem Kopf - ein Löwe in den schattendunklen Korridoren seines Gehirns. »Wenn du meinen wertvollen und treuen Verbündeten befreist! Ja, und eine feine Scheide obendrein - aus Silber!«
    Hanse blieb stehen. Er war still und dunkel wie der Schatten eines Baumes oder einer Steinmauer. Das konnte er gut, vor einer Weile waren vier vorsichtige Leute dicht genug an ihm vorbeigekommen, um ihn berühren zu können, ohne ihn jedoch zu bemerken.
    Ich will nichts von dir, du blutschänderischer rankanischer Gott, dachte er und hätte es fast laut ausgesprochen, während ihm Tausende von Ameisen über den Rücken zu krabbeln schienen. Tempus dient dir, nicht ich, und ich werde es auch nie!
    »Und doch tust du es in dieser Nacht, da du ihn suchst!« erklang wieder diese Stimme in seinem Kopf, die gewiß die des Gottes Vashanka war. Und eine Wolke verschlang den Mond.
    Nein! Ich diene - ich meine - ich tue es nicht ... Nein! Tempus ist mein - mein ... Ich will nur einem Fr ... einem Mann helfen, der auch bereit wäre, mir zu helfen. Laß mich in Ruhe, und geh zu ihm, du eifersüchtiger Gott von Ranke! Verschwinde aus Freistatt! Shalpa, mein Schirmherr, und unser Vater Ils sind die Götter der Stadt! Ils, Ils! O Herr der tausend Augen, warum bist nicht du es, der zu mir spricht?
    Hanse erhielt keine Antwort. Wolken zogen am Himmel vorüber. Es schienen dunkle Männer zu sein auf dunklen Pferden, die mit flatternden Mähnen und Schweifen dahintrabten. Plötzlich spürte Hanse, daß der schreckliche Gott ihn verlassen hatte. Nun betete er nicht, sondern fluchte, daß er sich von der dunklen Nacht hatte täuschen lassen, einer Nacht, beherrscht von einem Mond, der so bleich war wie eine rankanische Konkubine. Der Schnellfüßige trieb sein Unwesen in einer Nacht wie dieser.
    Hanse eilte weiter, jetzt nicht mehr im Schatten, denn es gab keine - das ganze Land war ein einziger, riesiger Schatten. Hinaus aus der Stadt eilte er, vorbei an Liebespaaren, die diesen Sohn Shalpas, des Großen Schatten, weder sahen noch hörten; weiter zu dem schönen gepflegten Garten, der das Haus des teiggesichtigen wandelnden Skeletts namens Kurd umgab. Die winzige Mondsichel versuchte zurückzukehren, aber sie war schwach wie ein Gespenst in ihrem Kampf gegen die Wolken, die wie ruhelose Schatten über den Himmel hasteten.
    Der herrlich angelegte Garten bot eine gute, aber unnötige Deckung. Hanse huschte an den Pflanzen in allen Arten und Größen vorbei geradewegs zum Haus. Es war ebenfalls dunkel.
    Niemand will Kurd besuchen. Niemand denkt auch nur daran, bei Kurd einzubrechen, um zu stehlen. Warum sollte es da nicht einfach sein? Kurd muß sich doch in Sicherheit wiegen, sich einbilden, daß er keine Schutzmaßnahmen oder Wächter braucht!
    Trotzdem behielt Hanse die Lippen zusammengepreßt, als er lächelte. Er glitt in die duftenden Sträucher hinein, die nahe der Hauswand wuchsen, seltsame Büsche mit langen dünnen Zweigen. Gerade, als er insgeheim jubelte, wie leicht es ihm gemacht wurde,
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