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Die Glücksritter von Schreckenstein

Die Glücksritter von Schreckenstein

Titel: Die Glücksritter von Schreckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
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mündlich machen! Ich hab lauter linke Zehen an der rechten Hand“, hatte Dampfwalze, das Kraftgebirge von Schreckenstein zum rasenden Lateinlehrer Doktor Schüler gesagt. Der war darauf eingegangen, nicht zu Dampfwalzes Vorteil, wie sich herausstellte. Den Muskelprotz ließ das kalt. Mochten die Ritter auf dem Sportplatz um Zentimeter und Zehntelsekunden ringen, um bessere Notendurchschnitte plagten sie sich nicht. Schon gar nicht durch Abschreiben. Sie waren ehrlich untereinander, auch den Lehrern gegenüber, mit denen sie ja zusammenlebten, und wollten vor allem ihren Spaß haben.
    „Hoffentlich bleib ich diesmal sitzen!“ hatte Pummel kürzlich getönt, „dann bin ich ein Jahr länger auf Schreckenstein.“ Solche Gedanken bildeten die Regel, nicht die Ausnahme. Burg Schreckenstein war eben eine besondere Schule. Die Ritter hatten sie dazu gemacht. Wie bei den ehemaligen Burgbewohnern vor sechshundert Jahren, zählte für sie der Mann und seine Taten, nicht die Pracht seiner Rüstung. Mochten sich die Jungen der Ebert — und Franz — Joseph — Schule in Neustadt mit dem besseren Radio, der kostspieligeren Kamera, der längeren Ferienreise voreinander großtun , auf Schreckenstein entfielen solche Angebereien. Bei dem lässigen Verhältnis zu Geld und Gut, waren Ottokar und Stephan gespannt, wie sich der Rosenfelser Tippbazillus auf die Ritterschaft auswirken würde. Sie sagten jedenfalls nichts und von selber kam er nicht, sondern ließ sich abholen.
    „Jede Nacht im Bett! Ist ja nicht mehr auszuhalten!“ maulte Pummel, als es Zeit wurde, sich aufs Ohr zu legen.
    „Solang die Wandfarbe so stinkt, sollte man im Freien schlafen!“ pflichtete ihm Eugen bei.
    „Ich weiß nicht. Bei dem Wind war’s mir im Bootshaus lieber“, steckte Pummel zurück, denn es pfiff an diesem Abend ganz schön um die Burg. Der Gedanke lag nahe. Als „Wasserwart“, wie die Ritter ihn nannten, oblag ihm die Pflege der Schreckensteiner Boote. Jeden Abend ging er zum Steg hinunter, prüfte die Leinen mit denen sie angebunden waren und schloß das Bootshaus ab.
    „Mann!“ Eugen hatte einen Einfall. „Bei dem Wind könnten wir Andis Surfrekord brechen! Noch dazu in der Dunkelheit.“
    „Zur Sicherheit können wir ja eine Kerze mitnehmen!“ alberte Pummel vor lauter Übermut.
    „Und wasserdichte Marine-Streichhölzer, falls sie ausgeht!“ fügte Eugen hinzu. Damit war der Angriff auf Andis knapp vierzehn Tage alten Rekord beschlossene Sache. Ihn zu verschieben, hätte bedeutet, eine einmalige Chance zu verschenken. Es herrschten schlechthin ideale Bedingungen, der Wind blies, was selten vorkam, genau von Wampoldsreute herauf. Das bedeutete annähernd gleich schnelle Hin — und Rückfahrt.
    Für die beiden gewieften Segler ein kalkulierbares Abenteuer. Wäre es ihnen gefährlich erschienen, hätten sie den Rex gefragt, was er davon halte, denn der Schulleiter war ja den Eltern gegenüber verantwortlich und gehörte auf Schreckenstein mit zur Gemeinschaft.
    Ohne sich ihre Vorfreude anmerken zu lassen, stiegen Pummel und Eugen in ihre Betten. Schulkapitän Ottokar kam noch herein. „Hakt die Fensterflügel fest!“ rief er. „Sonst wacht ihr womöglich in einem Scherbenhaufen auf.“
    „War mir fast lieber, als in der Stinkfarbe!“ brummte Musterschüler Strehlau . Mücke, der Kleine mit der Brille, dessen Verstand meist am schnellsten schaltete, schaltete das Licht aus.
    Pummel und Eugen lauschten in die Dunkelheit. Wenn nur der Wind nicht abflaut! Als die Atemzüge der beiden Stubenkameraden länger wurden, schlichen sie sich hinaus, zogen vor den Schränken ihr Gummizeug an, steckten ihre Taschenlampen in Plastikbeutel, .die sie zuknoteten und nahmen aus purer Gewohnheit auch die üblichen Streichrequisiten, wie Dietriche, Taschenmesser und Sprungseil mit. Man konnte ja nicht wissen.
    Lautlos bewegten sie sich durch den Nordflügel, über die Freitreppe hinunter in den Burghof zum Durchgang, wo sie der Wind empfing, daß sie sich dagegenstemmen mußten.
    „Könnte etwas wärmer blasen“, meinte Eugen.
    Zum Glück war es nicht völlig dunkel. Wolkenfetzen fegten im Eilzugtempo am Mond vorbei, die Schaumkrönchen auf dem Kappellsee kamen in zügiger Radlerfahrt von Wampoldsreute herauf, genau richtig für das geplante Unternehmen.
    Wortlos wasserten sie die Bretter, pflanzten die Masten ein, nahmen die Segel auf und begannen im Windschutz hinter dem Großen Schilf mit gemächlicher Fahrt. Pummel wollte gerade seine
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