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Die Glasprobe und andere zerbrechliche Geschichten

Titel: Die Glasprobe und andere zerbrechliche Geschichten
Autoren: Reinhard Griebner
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alles Schöne, sucht dringend Ehemann. Wohnraum vorhanden. Vermögen angenehm. Königliches oder fürstliches Elternhaus Bedingung. Nur ernstgemeinte Bildzuschriften.“ Zum großen Kummer des Königs, seines Privatsekretärs und letztlich auch der Prinzessin war auf die Anzeigen nie eine Antwort eingegangen.
    „Die prächtigsten Gewänder sollen an diesem Abend zur Schau getragen werden“, fuhr der König in seiner Rede fort.
    Der Hofschneider entfernte sich auf leisen Sohlen, um die neuesten Modejournale zu beschaffen und um der Königin und der Prinzessin schleunigst Maß zu nehmen.
    „Die erlesensten Speisen sollen angerichtet werden!“ Der Koch verschwand mit einem knappen Kopfnicken, um im entferntesten Winkel der königlichen Hofküche in seinem dicken Kochbuch zu blättern.
    „Und als besonderen Höhepunkt“, erklärte der König, an seinen Hofnarren gewandt, „erwarte ich ein kleines Kulturprogramm. Das fällt ja wohl in dein Fach.“
    Der Angesprochene zuckte erschrocken zusammen. „Zuviel der Ehre, Majestät“, stammelte er. „Aber ich weiß auf Anhieb wirklich nicht...“
    „Na, na, na“, redete der König beruhigend auf den Mann mit der Schellenkappe ein. „Du wirst doch wohl einen Witz auf Lager haben, der mich und meine Gäste erheitert.“ „Einen Witz? Ach so! Der findet sich immer“, sagte der Narr erleichtert. Er hatte bei dem Wort Kulturprogramm weit eigenwilligere Wünsche seines Brotherrn, Volkstanz, Singeklub oder selbstgemachte Gedichte, befürchtet.
    „So, dann laß mal hören!“ ordnete der König an und gab seinen Bediensteten ein Zeichen, sich aus dem Ballsaal zu entfernen. Erleichtert gingen jene, die diesmal keinen Sonderauftrag bekommen hatten, an ihr Tagewerk.
    Zurück blieben der König, die Königin, die Prinzessin und der Narr. Der König sprach launisch zu seinem Narren: „Aber eins sage ich dir: Wenn ich nichts zum Lachen kriege, dann hast du nichts zu lachen.“
    Der Narr deutete einen Diener an, spazierte gelassen einmal um seine Herrschaften herum, sah ihnen, da er gut zwei Köpfe größer war als die Mitglieder der königlichen Familie -er galt, das nur nebenbei, als der größte Narr der Welt -, sah ihnen also von oben her schelmisch in die Augen und fing an: „Da kommt ein Pferd zum Obsthändler...“
    „Das geht ja gar nicht“, bemerkte die Königin scharfsinnig. „Ein Pferd kommt zum Obsthändler!“ brüllte der König , und hieb mit den Fäusten so heftig auf die Lehne seines geliebten Thronsessels, daß der Palastheizer verärgert mit dem Schaufelstiel an die Decke des Heizungskellers klopfte. Doch der König ließ sich durch diese Unmutsäußerung seines Untermieters nicht stören. „Ausgerechnet ein Pferd! Das ist ja köstlich! Das ist wundervoll!“
    „Augenblick, Majestät“, unterbrach der Narr sanft und rasselte, um den Herrscher zum Zuhören zu bewegen, schwungvoll mit seiner Schellenkappe, „es geht ja noch weiter. Also, das Pferd kommt zum Obsthändler und fragt: ,Hast du Kohlen?' “
    Nach diesen Worten mußte sich der Narr eilig auf den Boden werfen, um nicht von dem Luftstrom, den der König bei seinem Lachanfall durch die Nasenlöcher blies, aus dem Schloß geweht zu werden. Die Königin guckte pikiert auf ihren wonnevoll tobenden Gemahl, und die Prinzessin kicherte in ihr Schnupftuch. Als der Monarch endlich tief

    durchatmete, nutzte der Narr die auf Sekunden befristete Stille und erzählte seinen Witz zu Ende: „Da sagt der Obsthändler: ,Kohlen sind da. Aber hast du denn eine leere Flasche mit?'“
    Nun war es um den König ganz und gar geschehen. Er schnaufte, lachte und ächzte, daß sein Bauch hüpfte. Und mit dem Bauch hüpfte der ganze König. Dazu brüllte er unentwegt: „Nein, das ist der beste Witz, den ich in meinem Leben je gehört habe. Ich lache mich glatt kaputt!“
    „Armer Papa“, seufzte die Prinzessin.
    Plötzlich verstummte der König, zog die Stirn kraus und sagte: „Nur, so darfst du ihn auf der Feier keinesfalls erzählen. Unser Nordnachbar, der Edelmann Ehrenfried, reitet seit Jahr und Tag auf einem fußlahmen Klepper. Er müßte ja denken, mit dem Pferd sei sein Gaul gemeint. Würde er in einem solchen Fall um die Hand der Prinzessin anhalten?“
    „Kaum“, sagte der Narr betrübt. Da er seinen König aus jahrelanger Zusammenarbeit kannte, ahnte er, was nun kommen würde.
    „Dein Glück, daß du dich einsichtig zeigst. Das Pferd wird gestrichen!“ ordnete der König an.
    Welche Farbe? wollte der
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