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Die Glasglocke (German Edition)

Die Glasglocke (German Edition)

Titel: Die Glasglocke (German Edition)
Autoren: Sylvia Plath
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draußen trat, bevor noch mehr passieren konnte. Ich schaffte es bis nach unten, indem ich mit beiden Händen das Geländer umklammerte.
    Daß Lennys Wohnung klimatisiert war, bemerkte ich erst, als ich auf die Straße wankte. Wie eine letzte Beleidigung schlug mir die abgestandene Tropenhitze, die die Bürgersteige tagsüber in sich aufgesogen hatten, ins Gesicht. Ich hatte keine Ahnung, wo ich eigentlich war.
    Einen Moment lang spielte ich mit dem Gedanken, ein Taxi zu nehmen und doch noch zu der Party zu fahren, aber dann überlegte ich es mir anders, denn vielleicht war die Tanzerei inzwischen vorüber, und ich hatte keine Lust, alleine in einem leerenSchuppen auf einer Tanzfläche zu stehen, die mit Konfetti, Zigarettenkippen und zerknüllten Papierservietten übersät war.
    Vorsichtig stapfte ich bis zur nächsten Ecke, wobei ich mit der Spitze eines Fingers an der Wand der Gebäude links von mir entlangstreifte, um Halt zu finden. Ich sah auf das Straßenschild. Dann zog ich meinen Stadtplan von New York aus der Handtasche. Ich war der Länge nach genau dreiundvierzig Blocks und der Breite nach genau fünf Blocks von meinem Hotel entfernt.
    Gehen hat mir nie etwas ausgemacht. Ich ging einfach in die richtige Richtung los und zählte im stillen die Blocks mit, und als ich die Empfangshalle des Hotels betrat, war ich völlig nüchtern, nur meine Füße waren leicht geschwollen, aber daran war ich selbst schuld, weil ich keine Strümpfe angezogen hatte.
    Die Eingangshalle war leer, bis auf den Nachtportier, der in seinem erleuchteten Schalter zwischen Schlüsselringen und schweigenden Telefonen döste.
    Ich glitt in den Selbstbedienungsfahrstuhl und drückte auf den Knopf zu meinem Stockwerk. Die Falttüren schlossen sich wie ein geräuschloses Akkordeon. Dann geschah etwas Komisches mit meinen Ohren, und ich bemerkte eine große Chinesin, die mich aus verschmierten Augen mit einem idiotischen Gesichtsausdruck anstarrte. Das war ich natürlich selbst. Ich erschrak über mein runzliges, verbrauchtes Aussehen.
    Auf dem Flur war keine Menschenseele. Ich schloß die Tür zu meinem Zimmer auf. Es war voller Rauch. Zuerst glaubte ich, der Rauch habe sich aus der abgestandenen Luft verfestigt, eine Art Strafgericht, aber dann fiel mir ein, daß es Doreens Rauch war, und ich drückte den Knopf, mit dem sich die Lüftungsklappe neben dem Fenster öffnen ließ. Das Fenster war so eingestellt, daß man es nicht wirklich öffnen und sich nicht hinauslehnen konnte, und aus irgendeinem Grund machte mich das wütend.
    Von der linken Seite des Fensters, mit der Wange an der Holzverkleidung, konnte ich Richtung Downtown sehen, wo in derDunkelheit das UN -Gebäude schwebte, wie eine unheimliche grüne Honigwabe für Bienen vom Mars. Ich konnte die roten und weißen Lichter sehen, die sich auf der Schnellstraße am Ufer bewegten, und die Lichter der Brücken, deren Namen ich nicht kannte.
    Die Stille bedrückte mich. Nicht die Stille der Stille. Meine eigene Stille.
    Ich wußte genau, daß die Autos Geräusche machten, auch die Menschen in ihnen und hinter den erleuchteten Fenstern in den Häusern machten Geräusche, und der Fluß machte Geräusche, aber ich konnte nichts hören. Flach wie ein Plakat hing die Stadt in meinem Fenster, glitzernd und funkelnd, aber was ihren Nutzen für mich anging, so hätte sie nicht da zu sein brauchen.
    Das porzellanweiße Nachttischtelefon hätte mich mit allem möglichen verbinden können, aber es stand einfach da, stumm wie ein Totenkopf. Ich überlegte, wem ich meine Telefonnummer gegeben hatte, und versuchte, eine Liste aller Telefonanrufe aufzustellen, die ich bekommen konnte, aber mir fiel nur ein, daß ich der Mutter von Buddy Willard meine Nummer gegeben hatte, damit sie sie an einen Simultandolmetscher weitergeben konnte, den sie bei der UNO kannte.
    Ich lachte kurz und ungerührt.
    Ich konnte mir lebhaft vorstellen, mit was für einem Simultandolmetscher mich Mrs. Willard bekanntmachen würde, wo sie sich doch die ganze Zeit wünschte, ich sollte Buddy heiraten, der gerade irgendwo in den Bergen des Staates New York eine Tb-Kur machte. Buddys Mutter hatte mir für den Sommer sogar einen Job als Kellnerin in diesem Tb-Sanatorium besorgt, damit Buddy nicht so einsam wäre. Sie und Buddy konnten nicht verstehen, warum ich mich statt dessen entschieden hatte, nach New York City zu gehen.
    Der Spiegel über meiner Kommode schien leicht gekrümmt und viel zu silbrig. Das Gesicht darin sah aus
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