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Die Glasfresser

Titel: Die Glasfresser
Autoren: Giorgio Vasta
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aufgenommen und daraus Protein gewonnen. Dann, wahrscheinlich angelockt durch ihre Hautbeschaffenheit, das ihren Körper umgebende Kohlendioxid, den kleinen hellen Schimmer auf ihrer dunklen Haut, hatte sie sich auf der Hand des kreolischen Mädchens niedergelassen,
und jetzt befand sie sich vor mir, eingeschlossen in die durchsichtige Plastikdose, mit diesen abnormen Mundwerkzeugen und den Vorderbeinen, die sich langsam an ihrem spitzen Stechrüssel rieben. Und sie hatte ihr Blut in sich, einen Tropfen Blut des kreolischen Mädchens, einen Partikel ihrer Biologie, und ich hatte mich verliebt und sie mit einer Zärtlichkeit angeschaut, auf welche die Mücke damit antwortete, dass sie sich von mir abwandte, doch ich wollte mich um sie kümmern, sie hüten, wie man die Reliquie hütet, die einen Überrest des Heiligen enthält, sie verehren wie einen Insektentabernakel: Ich wollte sie mit ihrem abgesonderten Bluttröpfchen abgesondert halten, ihr aber Nahrung und Leben sichern.
    Also suchte ich im Lexikon Il Modulo, doch es gab nichts über Mücken, und dann in Fanciulle operose, einem Schulbuch der Schnur. Aber auch bei den Fleißigen Mädchen fand ich nichts. Da nahm ich ein Stückchen Kopfsalat und legte es in die Plastikdose, doch einen ganzen Tag lang ignorierte die Mücke es und wandte mir weiter den Rücken zu. Ich zerbröckelte Brot, Kruste und Krume, ließ es in die Dose fallen, wartete einen weiteren Tag. Erneut passierte nichts, und auch nicht mit Kaffeepulver, einer Kohletablette oder einem winzigen Häppchen Kotelett.
    Die Tage vergingen, und die Mücke nahm nichts zu sich. Immer, wenn ich nachsah, verharrte sie regungslos, in analgetischer Haltung, um den Schmerz der Unterernährung zu lindern. Ich wusste nicht mehr, was tun, und brachte ihr, als ich vom Klo kam, auf der Spitze eines Bic ein bisschen von meiner Kacke mit: Aber die mochte sie auch nicht. Da nahm ich in meiner Verzweiflung eine Plastiktüte von La Standa, manövrierte die Stechmücke ins Innere und steckte meinen nackten Arm hinein; ich knotete die Tüte mithilfe der anderen Hand und der Zähne in Ellbogenhöhe zu und bot der Mücke feierlich meine Haut an, die Kapillaren, damit sie ihren gerinnungshemmenden Speichel injizieren und saugen und sich nähren und mein Blut mit dem des kreolischen Mädchens vermischen könnte, eine Art konzentrierte Befruchtung in ihrem Hinterleib, in der Samentasche, zwei in einem schwarz-rubinroten
Gerinnsel vereinte Tröpfchen, die eine sentimentale Zygote bildeten, eine im Körper dieses dumpfen und grollenden Insekts eingesperrte Liebe.
    Ich verbrachte den ganzen Nachmittag mit dem Arm in der Tüte, isolierter und konzentrierter als üblich. Am Abend schloss ich mich ins Bad ein und öffnete die Tüte: Ich hatte große rote Schwellungen auf dem Arm; unten, in einer weißen Falte, lag die tote Stechmücke, gekrümmt, steif, die Fühler herunterhängend, die Fadenbeinchen vertrocknet, der Stechrüssel leblos. Gestorben aus Wut und Schmerz nach der Rache, mit meinem Blut, das in dem Blut des kreolischen Mädchens trocknete.
    Mit Tränen in den Augen nahm ich das tote Insekt zwischen zwei Finger und warf es ins Waschbecken. Ich drehte den Wasserhahn auf, um es im Abfluss verschwinden zu lassen, doch es zog Kreise im Wasser und blieb an einer trockenen Stelle der Keramik hängen, wurde wieder vom Wasser erfasst und in den Strudel gerissen, blieb erneut an einer anderen trockenen Stelle hängen. Ich musste schieben und pusten und das tote Insekt noch einmal an einem Flügel zwischen Daumen und Zeigefinger nehmen, es senkrecht in das Loch fallen lassen, um mich von ihm zu befreien, das Blut zu beseitigen und meinen zerstochenen Arm anschauen zu können.
    Auch das kreolische Mädchen trinkt jetzt Wasser, hört zu, bewegt leicht den Kopf, ihre Haare bewegen sich mit, aus dem Schwarz lugen die Dämonen hervor, und genau in diesem Moment beiße ich ins Glas, zerbreche es, nehme es wieder heraus und schmecke das Blut. Das kreolische Mädchen wendet sich mir zu, ebenso der Chor der Hofdamen und Feen. Auf dem Gesicht des kreolischen Mädchens liegen Verdruss und Neugierde. Die Hausherrin nimmt mir das Glas aus der Hand, sagt, ich soll nicht schlucken, sucht in meinem Mund herum, nimmt die Glassplitter heraus; dann lässt sie mich den Kopf nach hinten beugen, macht einen Lappen nass und drückt ihn mir auf den Mund, während ich mich frage, warum sie mich den Kopf zurückbeugen lässt, ich habe doch kein Nasenbluten, ich
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