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Die gläserne Welt

Die gläserne Welt

Titel: Die gläserne Welt
Autoren: Harry Hoff
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Sie von der Polizei?«
    »Nein«, erwiderte Wilbur, »mit der Polizei habe ich nichts zu tun.«
    »Sollte mein Neffe etwa im Rausch –?«
    »Nein. Er hat auch im Rausch nichts verraten. Aber ich habe seine Gedanken belauscht.«
    »Seine Gedanken – belauscht? In der Hypnose, wie?«
    Wilbur Taft zuckte nur mit den Schultern.
     
    Orville Burns war wie ein Betrunkener die fünf Stufen zum Park hinunter und dann zum Ausgang getaumelt, wo noch sein Wagen stand. Er stieg ein; – aber er wagte nicht, das Auto in Gang zu setzen. Es würde ein Unglück geben. Er war zu erregt. Alles um ihn her drehte sich. Unter ihm wich der Boden. Er mußte für Augenblicke bewußtlos gewesen sein.
    Mit einer ruckartigen, raschen Bewegung griff er in seine Jackett-Tasche, packte das Fläschchen und schleuderte es weit von sich. Dabei ahnte er nicht, daß dieser Vorgang von einem Diener des Hauses beobachtet wurde.
    Funken tanzten ihm vor den Augen. Er mußte schlucken, ihm war übel geworden. Angst packte ihn. Angst vor sich selbst – Angst vor dem anderen, vor diesem Menschen, den er noch niemals gesehen hatte – und der doch seine geheimsten Absichten kannte.
    Jawohl – in diesem Fläschchen hatte sich Gift befunden. Mit diesem Gift hatte er seine Tante umbringen wollen. Es war schon so, und nicht anders. Jetzt, vor sich selbst, brauchte er das nicht mehr zu bemänteln.
    Woher aber wußte der Fremde davon? Er, Orville, hatte mit keinem Menschen darüber gesprochen – es waren seine innersten, eigensten Gedanken und Entschlüsse gewesen – von denen ein Dritter einfach nichts wissen konnte!
    Und doch!
    »Vielleicht ist er ein großer Telepath!?« fuhr es ihm durch den Kopf. Aber an Telepathie glaubte er nicht – wenigstens in solchen Ausmaßen nicht. In diesem Fall müßten die Grenzen des Wunderbaren schon weit überschritten sein. Und an Wunder glaubte er auch nicht.
    Verzweiflung packte ihn. Er war ein haltloser Mensch, der leicht seinen Stimmungen nachgab. Und seine Stimmungen wechselten in jeder Minute. Jetzt ist es aus! – dachte er, bei der Tante darf ich mich nicht mehr blicken lassen. Am siebenundzwanzigsten wird der Wechsel bei Goldsmith fällig. Ich werde ihn nicht einlösen können. Wäre die Tante tot, würde er mir im Hinblick auf diese Erbschaft den Wechsel noch prolongieren. Diese Berechnung ist über den Haufen geworfen. Ich bin ruiniert. Mir bleibt jetzt kein anderer Ausweg, als Schluß zu machen, Schluß – endgültig Schluß ...
    In diesem Augenblick reute es ihn, das Fläschchen fortgeworfen zu haben. Er hätte es selber gebrauchen können. Der Tod, durch dieses Gift herbeigeführt, sollte vollkommen schmerzlos sein.
    Irgendwo – drüben in dem Gebüsch – mußte das Fläschchen noch liegen. Aber er mochte nicht suchen. Leute kamen vorüber. Nein.
    Endlich fühlte er sich imstande, die Rückfahrt anzutreten. Er kam in sein Wohnappartement im 32. Stock eines Wolkenkratzers. Das Telefon läutete.
    »Mister Burns«, sagte eine nicht unsympathische Stimme, die ihm bekannt vorkam, »seit einer Stunde tragen Sie sich mit Selbstmordgedanken. Wenn es um einen Menschen wie Sie auch nicht gerade sehr schade ist, so gebe ich Ihnen doch zu bedenken –«
    Orville hörte nicht weiter. Die Muschel war seiner Hand entglitten – und abermals drehte sich alles in seinem Kopf.
    Sollte er doch an ein Wunder glauben?
     
    Folgenden Tages ließ Wilbur Taft sich bei einem gewissen Mister Gerrington melden. Gerrington hatte eine Belohnung von 12 000 Dollar ausgesetzt, die demjenigen zufallen sollte, der ihm die seiner Gattin vor einigen Tagen ›abhanden gekommene‹ Perlenkette wieder beschaffte.
    »Die Kette«, erklärte Taft kühl und sachlich, »befindet sich in der 24. Straße, Nummer 218, im vierten Stock. Hier liegt sie in einem altertümlichen Muschelkästchen, das der Straßenmusikant Benito Verreni – ein Italiener – in der linken unteren Ecke seines Kleiderschrankes verwahrt hält.«
    Gerrington blickte seinem Besucher verblüfft ins Gesicht. Er löste mechanisch die Binde von einer Brasil, bot auch Taft eine Zigarre an und reichte ihm Feuer. »Woher wissen Sie das?« fragte er.
    »Kein Mensch ahnt, daß ich es weiß«, wich Wilbur der Frage aus, »am wenigsten ahnen es jene Halunken, die die Kette gestohlen haben. Ich bin bloß durch einen Zufall dahintergekommen.«
    »Durch einen Zufall? So, so!« Gerrington maß den ihm gegenübersitzenden, einfach, doch nicht geschmacklos gekleideten jungen Menschen mit einem
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