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Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin
Autoren: Mindy L. Klasky
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Göttern den Kopf. Die Lippen des Hohepriesters bewegten sich in unhörbarem Gebet, bevor der alte Mann dem jungen Herrn aufhalf und ihn der versammelten Menschenmenge zuwandte.
    Der widerhallende Wechselgesang verklang, und ein Altardiener trat in einer sorgfältig einstudierten Choreographie vor. Der Prinz streifte seinen Umhang ab und trat von dem reich mit Juwelen geschmückten Kleidungsstück fort. Der Altardiener wankte unter dem schweren Kleidungsstück, während ein weiterer Altardiener ein goldenes Tuch vor dem Altar ausbreitete.
    Erst als der Stoff einen glatten Teich metallischer Seide bildete, kniete sich Tuvashanoran wieder hin. Er hob dem Hohepriester die verschränkten Hände entgegen, nahm die königlichen Hände zwischen seine und nickte ernst, bevor er seine zittrigen Handflächen auf den gebeugten Kopf des Prinzen legte. Einen langen Augenblick war nicht einmal mehr ein Rascheln von Seide oder Samt zu hören, und dann hallte die Stimme des Priesters zum Fenstergeschoss hinauf. »Wer führt diesen Mann vor den Altar der Tausend Götter?«
    »Ich, Shanoranvilli ben-Jair, König von Morenia, Gebieter der Stadt und Verteidiger des Glaubens, werde meinen Sohn zum Altar führen.« Rani zuckte schuldbewusst zusammen. Sie hatte den König nicht einmal das Hauptschiff hinabschreiten sehen. Sie erkannte am angehaltenen Atem der Menge, dass auch nur wenige andere das Herannahen ihres Lehnsherrn bemerkt hatten, so sehr fesselte sie Tuvashanoran.
    Als Rani zum Podest hinüberblickte, konnte sie die gesamte königliche Familie stolz zuschauen sehen. Neben König Shanoranvilli stand seine junge Frau, die fremdartige wunderschöne Königin Felicianda. Prinz Halaravilli war ebenfalls dort, kaum zwei Jahre älter als Rani selbst, und Prinz Bashanorandi, der in Ranis Alter war. Eine Schar Prinzessinnen regte sich auf der Plattform und reckte die jungen Hälse, um sehen zu können, was ihr ältester Bruder tat. Oder Halbbruder, wie Rani im Geiste berichtigte – Prinz Bashanorandi und die Prinzessinnen waren Königin Feliciandas Kinder. Nur Tuvashanoran und Halaravilli hatten aus der ersten Ehe des Königs überlebt.
    Der Hohepriester wandte sich König Shanoranvilli zu und intonierte feierlich: »Verteidiger des Glaubens nennt Ihr Euch. Und welchen Beweis habe ich dafür, dass Ihr diesen Titel tragt?«
    Den Blick auf den Hohepriester gerichtet, hob Shanoranvilli die welken Hände zu der schweren Amtskette um seinen Hals. Rani konnte selbst aus dieser Entfernung die wuchtigen, miteinander verschlungenen Js ausmachen. Die Buchstaben waren so reich verziert, dass sie kaum noch zu erkennen waren. J für Jair, J für das Königshaus. »Ich trage die Kette des Verteidigers, Vater, das Symbol meiner Verpflichtung den Tausend Göttern gegenüber und die Erinnerung an die Macht, welche mir jene Götter verliehen haben.«
    »Und warum kommt Ihr heute in das Haus der Götter?«
    »Ich bin gekommen, um jemandem diese Kette zu übergeben, der den Glauben in seiner Jugend besser verteidigen kann als ich.«
    Der Hohepriester schaute zum König hinab. »Und kommt Ihr aus eigenem, freien Willen hierher?«, fragte der Priester schließlich, wobei er seine buschigen Augenbrauen zu einer gebieterischen Linie zusammenzog.
    »Ja, ich komme aus eigenem, freien Willen.«
    »Und Ihr, Prinz Tuvashanoran, nehmt Ihr diese Bürde aus eigenem, freien Willen auf Euch?«
    »Ja, ich nehme sie aus eigenem, freien Willen auf mich.« Die Stimme des Prinzen klang stolz und stark, als sie mit der Kraft der Jugend zu den Fenstern hinaufwogte.
    »Dann lasst Euch von der Kirche auf Eure Pflichten vorbereiten.« Der Hohepriester hob eine zitternde Hand, und eine Schar von jungen Altardienern umschwärmte das Podest. Diese Jungen waren Tuvashanorans Cousins, seine engste Familie. Nur Angehörige des Königshauses durften an einer so wichtigen Zeremonie wie der Initiation Tuvashanorans teilnehmen.
    Sie führten ihre Choreographie einwandfrei aus. Zunächst zogen sie dem Prinzen die starren Panzerhandschuhe aus. Dann folgte Tuvashanorans mit Rubinen geschmückte Halsberge. Sie nahmen ihm auch seinen mit Diamanten besetzten Gürtel und das Amtsschwert. Sie bemächtigten sich seines makellosen Wappenrocks, der aus schimmernder, schwarzer, mit Gold durchwirkter Seide gewoben war, und beraubten ihn seiner bestickten Kleidung, nahmen ihm den königlichen Löwen ab, der sich in verschlungenen Gold- und Silberfäden auf seiner breiten Brust aufbäumte.
    Schließlich,
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