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Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin
Autoren: Mindy L. Klasky
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die es Gildemeisterin Salina ermöglichen würden zu überleben, wie es ihrer wahren, leiblichen Mutter nicht mehr gewährt war. Dies war der Moment, auf den sie gewartet hatte, der Moment, zu dem all die Tausend Götter sie geführt hatten – dies war ihre Chance, Leben zu retten.
    Hal sah ihr unmittelbar in die Augen und wiederholte seine Frage. »Ranita Glasmalerin, hast du jemanden in der Kathedrale erkannt?«
    »Ja.« Sie hielt seinem Blick stand, flehte ihn an, sie von der nächsten, unausweichlichen Frage zu entbinden, wohl wissend, dass sie ihre Entscheidung bereits getroffen hatte. Sie hatte bereits die Wahrheit, die Gerechtigkeit und das Licht der Tausend Götter erwählt.
    »Wen?«
    Ranis Herz hämmerte in ihren Ohren, und sie sehnte sich danach, die Hände von der verräterischen Kugel zu heben. Ihre Handflächen brannten jetzt, wurden auf der blutroten Kugel kochend heiß, und sie stellte sich vor, dass sich ihre Haut bald zusammenziehen würde. Eine kleine Lüge. Ein Leugnen von Tatsachen, ein Verdrehen der Wahrheit. Die Tausend Götter würden es gewiss verstehen, würden Treue zu Familie und Kaste zu würdigen wissen.
    Aber als sie die kräftigen Linien in Hals Gesicht betrachtete, den Geist Prinz Tuvashanorans sah, erkannte sie, dass sie nicht lügen würde. Sie würde nicht versuchen, Salina zu retten. Salina oder Bardo oder die Bruderschaft. Larindolian oder Felicianda oder Bashi. Sie würde ihre Geschichte erzählen. Sie würde die Wahrheit sagen, das Muster auslegen, ihre Worte für das einhandeln, was auch immer der Prinz ihr im Austausch gäbe. Sie musste sich an ihre wahre Kaste halten – ihre Händlerkaste –, wie das Unberührbaren-Wesen es ihr vor so langer Zeit aufgetragen hatte.
    »Salina. Jene Frau dort.«
    »Du dumme Kuh!« Salinas Gift spritzte durch den Audienzsaal.
    »Bringt sie zum Schweigen!«, fauchte Hal augenblicklich, und einer der Wächter nahm einen Knebel hervor und legte ihn der sich windenden, unflätigen Gildemeisterin geschickt an. Die schwarz gewandeten Wächter am Rande des Raumes traten einen Schritt näher heran, aber Hal winkte sie wieder auf ihre Plätze.
    »Salina, sagst du.« Er wandte sich erneut an Rani, als im Raum wieder etwas Ruhe herrschte. »Und woher kennst du Salina?«
    Selbst jetzt schon, noch bevor sie die Worte aussprach, konnte Rani spüren, wie die Kugel unter ihren Fingern abkühlte. Sie konnte spüren, dass die Tausend Götter über ihr schwebten und darauf warteten, dass sie die Wahrheit sagte. Nun stand Jair neben ihr, legte seine beruhigenden Hände auf ihre Schultern.
    Jair, der Erste Pilger, der Mann, der sein Leben in jeder der Kasten der Stadt gelebt hatte. Sie spürte seine Gegenwart, wie sie die Macht ihres Vaters, die Kraft: ihres Bruders gespürt hatte. Jair tröstete sie, während er gleichzeitig den rauen Weg vorzeichnete, den sie beschreiten musste. Sie war von Geburt Händlerin. Sie sah Muster und machte sie sich nutzbar, handelte, um zu überleben. Sich an ihre Kaste haltend, sich an ihr Geburtsrecht haltend, begann Rani Händlerin dem Gerichtshof alles zu erzählen, was sie über Tuvashanorans Tod wusste, was sie über die Bruderschaft: und ihre geheimen Pläne zur Erlangung von Macht und Kontrolle in der Stadt wusste.
    Als sie zu sprechen begann, war sie sich der Menschen um sich herum bewusst. Sie konnte sehen, wie Hals hageres Gesicht sie intensiv betrachtete. Sie konnte aus den Augenwinkeln den alten König sehen. Larindolian, Felicianda, Bashi, sogar Bardo und Salina hinter ihr – sie alle lauschten jedem Wort, das sie wählte.
    Während ihrer Rede vergaß sie jedoch die anderen Anwesenden im Saal immer mehr. Sie erzählte von ihrer Übelkeit erregenden Erkenntnis in der Kathedrale, von dem Moment, in dem sie erkannte, dass alles ganz schrecklich falsch verlaufen war, und dann war Tuvashanoran tot, vom grausamen Pfeil niedergestreckt, weil er sich bei ihren unschuldigen, warnenden Worten umgewandt hatte. Sie erzählte von ihrem Erschrecken, als sie das Heim ihrer Familie verbrannt vorfand, von ihrer Scham und ihrem Zorn, als ihre Freundin aus der Kinderzeit, Varna, sie denunzierte. Während sie dann alles erzählte, was auf den Straßen der Stadt geschehen war, erinnerte sie sich an immer mehr Einzelheiten – ein flüchtiger Blick auf die Wahrheit, die tief in Mairs Worten verborgen lag, ein Funke der Wirklichkeit, der sich hinter Dalaratis Ergebenheit gegenüber Krone und Ritterlichkeit versteckte.
    Sie ließ bei ihrer
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