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Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin
Autoren: Mindy L. Klasky
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wollte sich verteidigen, aber Hal ignorierte den Prinzen und gab entschlossen ein Zeichen.
    Niemand im Raum wagte in dem Moment nach dem Befehl noch zu atmen. Dann war der Audienzsaal vom Geräusch reißenden Stoffs erfüllt. Rani wirbelte herum, stolperte mit ihren Eisenketten, als zuerst Bardos Arm entblößt wurde und dann die von Schlangen umschlossene Wade Salinas. Während die Versammlung die gewundenen Schlangen auf der nackten Haut der Verräter anstarrte, kämpfte Larindolian noch um seine Freiheit, wand sich unter den Händen seiner Gefangenenwärter wie ein Fisch an der Leine. Die schwarz gewandeten Gestalten bewegten sich jedoch nach einer komplizierten Choreografie, und nach wenigen Herzschlägen war der Schatzmeister bis auf die Unterwäsche entblößt. Die Schlangen, die sich um seine Brust wanden, wirkten durch die Röte seiner Haut noch grimmiger, durch den Zorn, der ihn keuchen ließ, der die Schlangen sich wie lebendig winden ließ.
    Sogar Halaravilli zermürbte dieses Schauspiel, dieses Nest von Schlangen, die den Schatzmeister zu verschlingen schienen. Als der Prinz seine Stimme wiederfand, wandte er sich an seinen Vater. »Sire«, Hals Stimme klang respektvoll, auch wenn sie von Scheu erfüllt war, »als Großinquisitor präsentiere ich Euch fünf Verräter, Mitglieder der so genannten Bruderschaft der Gerechtigkeit.«
    König Shanoranvilli schien seinen Sohn fast nicht zu hören. Der alte Mann sah seinen Schatzmeister überrascht an, mied standhaft jeden anderen Anblick im Raum. Er vermied es, Bardo, Salina, Bashanorandi oder Königin Felicianda anzusehen. Als er schließlich sprach, klang seine Stimme alt und müde. »Und, Lord Großinquisitor, welches Urteil soll ich fällen?«
    Hal zögerte nicht. Er kannte die Regeln. »Das Urteil für alle Verräter lautet Tod. Diese Bastarde sollen an einem Seil hängen, bis sie tot sind, und dann sollen ihre Leichen in ein Erdgrab geworfen werden. Die Läuterung durch den Scheiterhaufen soll ihnen auf ewig versagt bleiben.«
    Felicianda keuchte und zog aller Augen im Raum auf sich, als sie auf die Knie sank, die schwarz gewandeten Gestalten um sich herum ignorierend. »Herr, ich bitte Euch! Prinz Bashanorandi gehört nicht zu uns! Er trägt unser Schlangenzeichen nicht! Er ist an all den Geschehnissen unschuldig.«
    Das Flehen der Königin ließ König Shanoranvillis Gesicht verfallen, und Rani erkannte, dass er bis zu diesem Moment noch die Hoffnung gehegt hatte, Felicianda retten zu können, die Frau, die er liebte, verschonen zu können. Ihr Aufschrei kam jedoch einem Geständnis gleich, und der König schüttelte nur in lautlosem Kummer den Kopf. Er flüsterte seinem loyalen Sohn mühsam zu: »Ihr äußert harte Worte, Lord Großinquisitor.«
    »Ich äußere gerechte Worte, Euer Majestät. Verräter wurden stets zum Tode verurteilt. Diese Menschen wussten das, als sie die Schlange an ihrem Busen nährten. Sie wussten es, als sie sich gegen die Krone verschworen. Sie wussten es, als sie meinen Bruder, Euren Sohn, ermordeten, als sie mich ermorden und meinen Bruder Bashanorandi auf Euren Thron bringen wollten, vielleicht sogar, bevor Ihr bereit gewesen wärt, ihn zu verlassen.«
    »Herr«, begann Felicianda, den Prinz mit dem kalten Blick ignorierend. Sie sprach nur an ihren Ehemann gewandt, an den König, den sie vor fünfzehn Jahren geheiratet hatte. »Ihr dürft nicht auf dieses Kind hören…«
    »Ruhe!« Shanoranvillis Stimme hallte im Saal wider. Ranis Ohren klangen, und sie fragte sich, wie die alten Lungen des Königs solche Klangfülle heraufbeschwören konnten. Es schien, als spräche ein anderer Mensch, als der König zu seinem Sohn sagte: »Aber was ist mit der Bruderschaft? Was ist mit den Mitgliedern, die wir nicht kennen?«
    »Euer Majestät«, erwiderte Hal, und Rani erkannte, dass er sich seine Worte bereits zurechtgelegt hatte. »Schlägt man einer Schlange den Kopf ab, stirbt sie. Die Bruderschaft wird ohne ihren Kopf, ohne ihre Augen, ohne ihre Fänge machtlos sein.«
    Shanoranvilli sah die Verräter eine lange Minute an. Seine Ehefrau, die ihm spät in seinem Leben Liebe und Kinder sowie durch ihre Mitgift aus dem Norden keinen geringen Reichtum geschenkt hatte. Seinen Schatzmeister, der während der Jahre des Regierens eines Königreichs an seiner Seite gewesen war. Die Fremden, die seinem Hof solchen Kummer gebracht hatten – die Gildemeisterin und den Händler, die jetzt vor seiner königlichen Macht zitterten. Rani beobachtete
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