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Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Titel: Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]
Autoren: Lion Feucht Wanger
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hinauf zu dem Bild Immanuel Oppermanns und bedauerte, daß es eine Kopie war. Sein Ton war nicht richtig diesem bitteren, gekränkten Manne gegenüber. Man warheute noch nicht genötigt, sich mit Wels zu verständigen, die politische Situation schien ruhig, wahrscheinlich wird man es auch in Monaten und in Jahren nicht sein. Aber Sicherheit war keine gegeben, Vorsicht war geboten, die einzig mögliche Taktik war, Wels hinzuhalten, ihn in guter Stimmung zu halten. Seine, Martins, Art war heute nicht die rechte für eine solche Unterredung; der alte Immanuel hätte es sicher besser verstanden, den hölzernen, harten Menschen anzufassen.
    Auch Herr Wels war unzufrieden. So kam man nicht weiter. »Es steht bei mir nicht gut«, sagte er, »und es steht bei Ihnen nicht gut. Unter uns Pfarrerstöchtern können wir uns das ja ruhig sagen.« Er verzog den harten Mund zu einem Lächeln, die scherzhafte Wendung, von seiner dumpfen Stimme vorgebracht, klang doppelt düster.
    Man ging ins Detail. Martin zog seinen Zwicker heraus, den er sehr selten benutzte, putzte daran herum. Herr Oppermann konnte wirklich Herrn Wels heute schwer ertragen, und Herr Wels schwer Herrn Oppermann. Einer fand den andern anmaßend, die Konferenz war für beide eine Quälerei. Herr Wels fand, daß es den Oppermanns nicht ernst sei. Worauf sie sich einlassen wollten, war ein Versuch, der sie zu wenig verpflichtete; sie wollten eine der Berliner und eine der Provinzfilialen mit zwei entsprechenden Welsschen Unternehmungen fusionieren. Daran war Herr Wels uninteressiert. Ging die Geschichte schief, dann hatten die Oppermanns zwei von ihren acht Filialen verloren, das konnten sie verschmerzen; er aber hatte dann zwei von seinen drei Filialen verloren und war erledigt.
    »Ich sehe, ich habe mich getäuscht«, sagte sauer Herr Wels. »Ich dachte an Verständigung. An einen Waffenstillstand«, verbesserte er sich mit einem dünnen, grimmigen Lächeln. Der schwere Martin Oppermann versicherte höflich, geschmeidig, er denke gar nicht daran, die Verhandlungen als gescheitert zu betrachten. Er sei sicher, wenn man sich nur mehrmals eingehend aber die Materie unterhalte, werde man sich verständigen.
    Herr Wels zuckte die Achseln. Er hatte sich eingeredet, die Oppermanns seien am Ende. Jetzt stellte sich heraus, daß sie ihn für erledigt hielten, nicht sich. Ihn wollten sie mit einem Häppchen abspeisen, und das richtige Menü für sich alleine fressen. Er ging düster, im Zorn.
    Daß sie sich man nicht schneiden, die Herren, dachte er, während er im Aufzug hinunterfuhr. Er dachte es nicht nur, er sagte es leise vor sich hin. Der Liftboy sah den finstern Mann erstaunt an.
    Martin, nach der Unterredung, saß an seinem großen Schreibtisch. Die höfliche, zuversichtliche Miene fiel ab von ihm, kaum daß Wels gegangen war. Er hat sein Ziel nicht erreicht. Er hat eine Pleite gemacht. Verdrossen saß er, unzufrieden mit sich.
    Er bat die Prokuristen Siegfried Brieger und Karl Theodor Hintze ins Kontor. »Nu, sind Sie mit dem Gewittergoi fertig geworden?« schoß Siegfried Brieger sogleich los, nach flüchtigem Gruß. Der kleine, quicke Herr, Anfang der Sechzig, mager, heftig, betont jüdisch von Aussehen, zog sich einen Stuhl ganz nah an seinen Chef heran; die große Nase über dem starken, schmutzig-grauen Schnurrbart schnupperte. Karl Theodor Hintze hingegen blieb in gemessenem Abstand stehen, gehalten, die formlose Hast des Kollegen sichtlich mißbilligend.
    Karl Theodor Hintze mißbilligte alles, was Herr Brieger tat, und Herr Brieger verulkte alles, was Karl Theodor Hintze tat. Karl Theodor Hintze war während des Krieges Führer der Kompanie gewesen, in der Brieger als gemeiner Landsturmmann diente. Das Verhältnis war schon damals zwischen beiden das gleiche, und schon damals wußten beide, wie sehr sie aneinander hingen. Als es dann nach beendetem Krieg dem feinen Herrn Hintze dreckig ging, hatte Herr Brieger ihn im Möbelhaus Oppermann untergebracht. Von ihm angelernt, war der zäh arbeitende, zuverlässige Mensch rasch hochgeklettert.
    Martin Oppermann erstattete seinen beiden Herren Bericht. Die drei kannten einander, jeder jeden, das Resultat der Unterredung war vorauszusehen gewesen; niemand hatte geglaubt, daß Wels annehmen werde. Die Frage war nur der Verlauf. Nach dem Bericht Martins wußten alle, es wäre klüger gewesen, man hätte Herrn Brieger mit Herrn Wels verhandeln lassen. Brieger hätte Wels noch weniger bieten können als Oppermann, und
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