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Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Titel: Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]
Autoren: Lion Feucht Wanger
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neue Akzente auch bei der Betrachtung dieses historischen Stoffes; eine einfache Rekonstruktion des Romans kam also nicht in Betracht. Es schien Feuchtwanger zudem viel wichtiger, die Aufmerksamkeit der Welt auf die Vorgänge in Deutschland zu lenken. Bei der Materialsammlungfür das neue Buch half ihm seine Sekretärin Lola Sernau, die Zeitungsberichte aus der Schweiz beschaffte. Werner Kahn-Bieker, der als Student Ende der zwanziger Jahre für den Roman »Erfolg« recherchiert hatte und dem es gelungen war, aus Feuchtwangers Berliner Haus einige Bücher und Notizen in Sicherheit zu bringen, bot sich als Augenzeuge an. Zunächst bestand nicht die Absicht, das Material für einen Roman zu verwenden. Eine britische Filmgesellschaft hatte Feuchtwanger im Auftrage des englischen Premierministers Ramsay MacDonald um die Vorlage für ein Drehbuch antinazistischen Inhalts gebeten. Zusammen mit dem Drehbuchautor Sidney Gillat entstand innerhalb von zwei Monaten das Filmmanuskript der »Geschwister Oppermann«. – Es wurde niemals verwendet: Die englische Regierung hatte sich entschlossen, nicht offensiv zu werden.
    Von dem Filmprojekt und »Meinungsverschiedenheiten über gewisse Klauseln im Vertrag« berichtete Feuchtwanger Arnold Zweig am 7. Mai 1933. Zwei Wochen vorher, am 24. April, hatte er ebenfalls an Zweig geschrieben, vor Ende Juni könne er nicht »an die Arbeit an einem richtigen Buch« denken, und den Plan für »drei ziemlich lange Novellen« erwähnt, »die die Berliner Pogrome zum gemeinsamen Hintergrund haben«. Es ist denkbar, daß damit die Geschichte der Oppermanns gemeint war. Dramatische und epische Bearbeitung eines Stoffes gehörten zu Feuchtwangers literarischer Praxis. Außerdem läßt der Roman noch die Bündelung mehrerer Handlungsstränge erkennen.
    Im Oktober 1933 schickte Feuchtwanger das Romanmanuskript an den Querido Verlag in Amsterdam. Es ging sofort in Satz, aber dann mußte der Druck gestoppt werden. Die erpresserische Aktion eines deutschen Nationalsozialisten erzwang eine Textänderung: Ein Professor Oppermann, in Hannover Inhaber eines nazistischen Korrespondenzverlages, drohte mit Repressalien gegen den noch in Deutschland lebenden Bruder Feuchtwangers, Martin, falls die Namen der Romanhelden beibehalten würden. Feuchtwangeränderte sie in Oppenheim, so daß die ersten beiden Auflagen von 1933 und 1935 unter dem Titel »Die Geschwister Oppenheim« erschienen. Spätere tragen dann den ursprünglichen Titel.
    Es war nach dem »Tönernen Gott« und »Erfolg« der dritte Roman Feuchtwangers, dem ein zeitgeschichtlicher Stoff zugrunde lag. Am Schicksal der Geschwister Oppermann zeichnete er unterschiedliche Verhaltensmuster des jüdischen Bildungsbürgertums von November 1932, sein im Detail zwar differenziertes, im wesentlichen aber passives Reagieren auf die Signale, die Hitlers »Mein Kampf« aussendet, auf die Zeichen, die nationalsozialistische Wirksamkeit im Alltäglichen setzt, da man, auf die Frequenz Goethes und Hegels eingestellt, einen Sieg der Unvernunft, der Dummheit über den Geist nicht für wahrscheinlich hält.
    Die Meinungen über diesen ersten antifaschistischen Roman seit Hitlers Inthronisation gingen sehr auseinander. Tucholsky war überzeugt, die »›Oppenheims‹ werden ein gutes Werk tun«. Künstlerisch aber sei es »ganz schlecht – strohig, aus Pappe«. Anders Hans Günther: Er lobte den flüssigen, eleganten Stil, vermißte dagegen »in dem einmal gewählten Wirklichkeitsausschnitt die treibende Kraft der Gesamtentwicklung«. Feuchtwanger nehme den Antisemitismus für den ganzen Nationalsozialismus und habe somit eine »unwahre Teilwahrheit gestaltet«. Außerdem habe er »den Klassenkampf in der Gestaltung vergessen«. Ähnlich reagierte Ernst Ottwalt: Lob für die »blendende Leichtigkeit« und die »handwerklich hervorragende Leistung«, Tadel für das »Unvermögen, historisch zu denken, das in Feuchtwangers konsequenter und leidenschaftlicher Ablehnung des dialektischen Materialismus seine Ursache« habe. Klaus Mann dagegen nannte den Roman »die wirkungsvollste, meistgelesene erzählerische Darstellung der deutschen Kalamität«; und auch Arnold Zweig betonte vor allem die »Kraft und Aufgabe dieses Kunstwerkes, die Sache der Wahrheit in der Welt zu stärken«. Feuchtwanger selbst merkte ein paar Jahrespäter, in seinem Nachwort zu »Exil«, Kritisches zu den »Geschwistern Oppermann« an. Er habe sich »in einigen Kapiteln zu sehr von den Eindrücken
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