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Die Geschichte vom neidischen Dorle

Titel: Die Geschichte vom neidischen Dorle
Autoren: Hans Günter Krack
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sie ihm ein. Ich versteh’ das!“
    Ich habe ja schon Geld dafür, wollte Dorle schreien. Vielleicht wäre dann noch alles gut geworden. Aber — wenn die anderen eine Scheibe für Peter kauften, dann brauchte sie es nicht zu tun. Sie konnte sich, wenn sie um vier aus dem Hort kamen, in der HO Bonbons holen und sie zusammen mit Walter vernaschen.
    Heino nahm ein rundes Kästchen aus dünnem Holz aus seiner Schulmappe. Früher war einmal Camembert-Käse in dem Kästchen gewesen. Jetzt bewahrte Heino Briefmarken darin auf. Er war ein eifriger Sammler von Marken aus allen Ländern. Die bunten Marken legte er sorgfältig zwischen die Seiten eines vollgeschriebenen Rechenheftes.
    Der Junge pflanzte sich vor Dorle auf und schwenkte das 

    Kästchen in der Hand. „Du müßtest eigentlich den Anfang machen!“ sagte er laut und blickte Dorle verächtlich an, als wolle er sagen: Gibst ja doch nichts.
    Ganz schnell überlegte Dorle. Wenn Heino sammelte, kam bestimmt genug Geld für die Scheibe zusammen. Und da sollte sie noch ihre schönen Fünfziger in das Kästchen legen? Wenn ein anderer gesammelt hätte, würde sie es sich vielleicht überlegt haben. Aber ausgerechnet Heino! Dorle drehte die Handflächen nach außen und hielt sie Heino hin und erklärte leise: „Ich habe nichts.“ Ein wenig rot wurde sie doch bei der Lüge. Heino nickte nur und wandte sich ab.
    Vielleicht hätte ich ihm das Geld geben sollen? sann Dorle. Einen guten Eindruck hätte es gemacht, daran gab es keinen Zweifel. Aber jetzt war es zu spät. Heino ging schon durch die Klasse und hielt allen Jungen und Mädchen die Schachtel vor die Nase. Manche wackelten verlegen mit dem Kopf. Sie besaßen kein Geld. Walter sagte: „Ich möchte schon, aber ich hab’ keinen Pfennig mehr.“ Andere meinten: „Was geht’s mich  an?“ Oder sie verlangten: „Soll doch Dorle den Schaden ersetzen!“ Einige Jungen wühlten lange in ihren Hosentaschen herum und brachten Pfennige oder gar Fünfpfennig-Stücke zum Vorschein. Viele Mädchen zückten Geldtäschchen, aus denen sie ihren Beitrag für die Lampenscheibe nahmen.
    Dorle entdeckte, daß Angelika ein funkelnagelneues Geldtäschchen aus rotem Lackleder in der Hand hielt. An dem Reißverschluß baumelte ein kleines, blinkendes Anhängsel. War das ein schönes Täschchen! Unauffällig betrachtete Dorle das eigene. Das war ein uraltes Ding. Die Mutter konnte es nicht mehr brauchen, weil die Seitentasche für die Scheine zu klein war. Wenn Dorle so eine rote Geldbörse besessen hätte, dann hätte sie ebenso großartig Geld daraus hervorziehen können wie jetzt Angelika. Mit einem feindseligen Blick maß Dorle die Klassenkameradin.
    Bei der Sammlung kamen eine Mark und vierzig Pfennige zusammen. Heino meinte, das würde reichen, um hierfür die neue Scheibe zu kaufen. Doch das interessierte Dorle schon gar nicht mehr. Die rote Börse von Angelika und das Kleid Traudes! Das beschäftigte sie!

Eine Ohrfeige
    Das Kleid hatte Dorle die ganze Stunde über wieder vor Augen. Sie konnte sich das Muster genau betrachten. Wie schön die Herzchen angeordnet waren! Immer drei zusammen, verbunden mit einer andersfarbigen Ranke. Wenn sie an ihr rosa Kleid dachte! Wie unscheinbar das war! Sie würde überhaupt nicht mehr darin auffallen!
    Ob sie Traude das Kleid mit Buntstift beschmierte? Dann konnte sie es am Nachmittag nicht anziehen, wenn sie zum Spielplatz ging, auf dem sich immer viele Kinder aus der Klasse trafen. Dorle griff schon nach den weichen Pastellstiften, die ihr die Mutter in der vergangenen Woche gekauft hatte. Ganz neu waren die Stifte. Das Mädchen überlegte und überlegte. Soll ich’s tun — soll ich’s nicht tun?
    Sie drehte einen dunkelbraunen Stift zwischen ihren Fingern. Walter Liesegang sah zu ihr her und lächelte. Dorle wollte es scheinen, als hätte der Freund ihren geheimen Plan erraten. Nein, nein — sie tat es doch nicht! Das wäre wirklich gemein gewesen. Hastig schob Dorle den Stift wieder in den länglichen Kasten zurück.
    Gerade verkündete das Klingelzeichen auf dem Flur den Schluß der Unterrichtsstunde. Als Fräulein Fröhlich aus dem Zimmer gegangen war, unterhielt sich Dorle mit Walter und einigen Mädchen, die nicht „Neidhammel“ gerufen hatten. Auch Angelika trat hinzu. Dorle drehte ihr mit einem Ruck den Rücken zu.
    „Hat dir Angelika was getan?“ fragte Walter verwundert.
    „Sie hat Neidhammel gerufen!“ log Dorle frech.
    „Gar nicht!“ rief Angelika aufgebracht.
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