Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers
Autoren: Wingfield Jenny
Vom Netzwerk:
zu Zimmer. Doch was er fand, war nichts, nichts, nichts.
    Sein Herz drohte zu zerspringen. Er würde Swan hier nicht finden.
    Er verließ das Haus, stellte sich auf den Hof und suchte mit seinen Blicken den Waldrand ab. Nichts bewegte sich. Er sah zu Ras Ballenger hinüber, der gedankenverloren die Mähne einer Stute auskämmte und ihn nicht beachtete. Dann blickte er zu dem einzigen Ort, der ihm noch blieb. Er schaute gen Himmel.
    » GOOOOOOTTTTTT !«, schrie er. » GOOOOOOTTTTTT ?«
    Beschwörend hob Samuel die Hände und brüllte aus tiefster Seele.
    » HÖRST DU MICH , GOTT ? HIER IST SAMUEL ! SAM LAKE ! DU KENNST MICH DOCH , OH HERR ! DU … KENNST … MICH !«
    Ras Ballenger fuhr herum und starrte ihn an. Er hatte bereits Gerüchte gehört, dass der Prediger den Verstand verloren hatte, und das hier war der eindeutige Beweis dafür. ER KANN DICH NICHT HÖÖÖÖRRRREN ! , hätte er diesem Verrückten am liebsten zugerufen.
    Doch jemand anderer konnte ihn sehr gut hören. Swan hörte alles. Sie hörte, wie ihr Vater Gott anrief, und sie hörte, wie Gott antwortete.
    Seine Antwort folgte prompt und begann mit einem leisen trippelnden Geräusch, das sich verhundertfachte und immer lauter wurde. Schon bald war nur noch dieses eine Geräusch zu hören, und mehr brauchte Swan auch nicht. Es war das lieblichste Geräusch, das man sich vorstellen konnte. Sie fühlte sich, als wäre sie in raschelnden Samt gehüllt. Samt, der wohltuend und liebkosend und vielleicht sogar heilend über ihre Haut strich.
    Kein Mensch hätte sich wohl je träumen lassen, dass Mäuse einen so jubilieren lassen können.

39
    Auf dem Hof streckte Samuel noch immer die Arme zu Gott hinauf und sagte ihm gehörig die Meinung.
    » ICH BIN DEIN ! DEIN , OH HERR ! DOCH DAS BEDEUTET , DASS DU AUCH MEIN BIST ! DU HAST VIELE GROSSE VERSPRECHEN GEGEBEN , UND ICH HABE JEDES DAVON GEGLAUBT ! NUN FLEHE ICH DICH AN , SIE AUCH ZU HALTEN !«
    Ras kam aus dem Pferch und brüllte über die große Entfernung hinweg, die zwischen ihnen lag, zu Samuel hinüber.
    »Geh nach Hause, Prediger! Geh nach Haus, und guck nach, ob deine Tochter nicht inzwischen wieder aufgetaucht ist. Ich wette gutes Geld darauf, dass sie wieder da ist.«
    Doch Samuel beachtete ihn nicht.
    » ICH FORDERE DIE VERSPRECHEN JETZT EIN , HERR ! ICH ! SAM LAKE ! HIER STEHE ICH ! IMMER NOCH ! ICH STEHE HIER , UND ICH HARRE SO LANGE AUS , BIS DU MIR ANTWORTEST !«
    Dann hörte er die Kuhglocke. Sie läutete und schepperte so laut, dass man mit ihr Tote hätte aufwecken können. Und dazu ertönte das kehlige QUACKQUACKQUACK einer Entenlockpfeife.
    Samuel hielt auf der Stelle inne. Auch Ras Ballenger erstarrte zur Salzsäule. Samuel wusste, was der Lärm bedeutete. Ras Ballenger schien völlig konsterniert.
    »Swan?«, rief Samuel froh und lief in die Richtung, aus der der Lärm kam. Dieser herrliche Lärm.
    Für den Bruchteil einer Sekunde war Ras so schockiert, dass er unfähig war, sich zu rühren, dann aber riss er die Bullenpeitsche vom Zaun und raste hinter Samuel her. Als dieser das Zischen hörte, mit dem die Peitsche entrollt wurde, fuhr er wie ein geölter Blitz herum. Im selben Augenblick. Eigentlich kann sich ein Mensch gar nicht so schnell bewegen, doch Sam Lake tat es einfach. Mit einem mächtigen Satz erhob er sich in die Luft und legte die ganze Strecke zurück, ohne dass seine Füße den Boden berührten. Er flog. Auch das kann ein Mensch eigentlich nicht, und trotzdem tat er es. Später konnte sich Samuel sogar daran erinnern, dass er geflogen war. Die Peitsche traf ihn nicht, da Ras schon kehrtgemacht hatte, um wegzulaufen. Samuel stürzte sich auf ihn, sodass beide auf dem Boden landeten, Ras mit dem Gesicht nach unten. Er strampelte und wand sich, während Samuel auf seinem Rücken lag und ihn festhielt.
    »Sie sollten mich lieber loslassen, Prediger«, sagte Ras warnend. Zwar war er bei Weitem nicht mehr so selbstsicher wie zuvor, bemühte sich aber, diesen Eindruck zu erwecken.
    Samuel schaute sich hektisch um, um sich zu orientieren. Doch was er sah, war nur eine friedliche Farm, auf der hungrige Tiere in zwei Pferchen mit den Hufen stampften und ungeduldig darauf warteten, auf den Futterplatz geführt zu werden.
    Dann bemerkte er den Übergang von Braun nach Grün, wo der karge festgetretene Boden des Futterplatzes an das mit Unkraut übersäte Gras außerhalb des Zauns grenzte, und plötzlich sah er das Gras wie durch ein Vergrößerungsglas, besonders das dunklere, sehr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher