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Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.

Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.

Titel: Die Geschichte Der Kinder Hurins. Sonderausgabe.
Autoren: John Ronald Reuel Tolkien
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anzustimmen. Doch es wollte ihm nicht gelingen. Da zerbrach er die Harfe, ging hinaus, reckte die Hand gen Norden und rief: »Verderber Mittelerdes, geschähe es, dass ich dir von Angesicht zu Angesicht gegenüberstünde, so würde ich dir zusetzen, wie es mein Herr Fingolfin getan hat!«
    In der Nacht aber, wenn er allein war, weinte Túrin bitterlich, wenn er auch seiner Mutter gegenüber den Namen seiner Schwester nie mehr aussprach. Nur einem Freund vertraute er sich in dieser Zeit an, erzählte ihm von seinem Kummer und der Leere des Hauses. Dieser Freund hieß Sador und war ein Knecht im Dienst Húrins; er war lahm und wurde wenig geachtet. Er war Holzfäller gewesen und hatte sich dabei, weil das Unglück es wollte oder er die Axt nicht richtig führte, den rechten Fuß abgeschlagen. Das fußlose Bein war verkrüppelt, und deshalb nannte Túrin ihn Labadal, was »Hüpffuß« bedeutete. Doch Sador nahm ihm dies nicht übel, weil er wusste, dass dieser Name Túrins Mitleid und nicht seinem Spott entsprungen war. Sador arbeitete auf den Vorwerken, wo er kleine Gegenstände von geringem Wert herstellte oder Dinge ausbesserte, die im Hause gebraucht wurden; denn er war geschickt in der Bearbeitung von Holz. Damit Sador sein Bein schonen konnte, holte Túrin ihm oft, was er für seine Arbeit brauchte. Manchmal schleppte er auch heimlich, wenn er glaubte, sein Freund könne etwas damit anfangen, herumliegendes Werkzeug und Holzstücke an. Dann lächelte Sador und hieß ihn, die Dinge an ihren Platz zurückzubringen. »Sei stets freigebig«,sagte er, »aber verschenke nur, was dir selbst gehört!« So gut er konnte, belohnte er die Freundlichkeit des Kindes und schnitzte ihm Menschen- und Tierfiguren. Doch am meisten Freude hatte Túrin an Sadors Geschichten. Dieser war nämlich in den Tagen der Bragollach ein junger Mann gewesen und schwelgte gern in Erinnerungen an jene Zeit, als er noch ein gesunder Mann und kein Krüppel gewesen war.
    »Es war eine große Schlacht, sagt man, Sohn Húrins. In der großen Not jenes Jahres wurde ich von meiner Arbeit in den Wäldern fortgerufen. Aber ich habe an der Bragollach nicht teilgenommen, wo ich vielleicht auf ehrenhaftere Weise verwundet worden wäre. Denn wir kamen zu spät und konnten nur noch die Bahre mit dem Leichnam des alten Fürsten Hador vom Schlachtfeld tragen, der gefallen war, als er König Fingolfin schützte. Dann wurde ich Soldat und diente lange Zeit in Eithel Sirion, der großen Festung der Elbenkönige; so jedenfalls kommt es mir heute vor, und die eintönigen Jahre, die darauf folgten, haben dem nichts entgegenzusetzen. Ich war in Eithel Sirion, als der Schwarze König es bestürmte und Galdor, dein Großvater, dort Hauptmann in des Königs Diensten war. Bei jenem Angriff wurde er erschlagen, und ich sah deinen Vater seine Nachfolge antreten und die Befehlsgewalt übernehmen, obgleich er noch ein sehr junger Mann war. Ein Feuer brenne in ihm, von dem das Schwert in seiner Hand erglühe, sagte man. Unter seiner Führung trieben wir die Orks in die Sandwüste, und seit jenem Tag haben sie es nicht gewagt, in Sichtweite der Mauern zu kommen. Doch ach, meine Kampfeslust war gestillt, denn ich hatte genug vergossenes Blut und Wunden gesehen. Ich erhielt die Erlaubnis, in die Wälder zurückzukehren, nach denen ich mich sehnte. Und dort trugich meine Verwundung davon; denn ein Mann, der vor seiner eigenen Furcht flieht, wird feststellen, dass er nur den kürzeren Weg gewählt hat, ihr erneut zu begegnen.«
    So sprach Sador zu Túrin, als dieser älter wurde und viele Fragen zu stellen begann, deren Beantwortung Sador schwerfiel; außerdem fand er, dass andere, die Túrin näherstanden, diese Aufgabe übernehmen sollten. Eines Tages sagte Túrin zu ihm: »War Lalaith wirklich einem Elbenkind ähnlich, wie mein Vater sagte? Und was meinte er, als er sagte, sie sei vergänglicher?«
    »Sie war den Elbenkindern sehr ähnlich«, sagte Sador, »denn in ihrer ersten Jugend scheinen die Kinder von Elben und Menschen eng miteinander verwandt zu sein. Doch die Kinder der Menschen wachsen schneller, und ihre Jugend geht bald vorbei; das ist ihr Schicksal.«
    Darauf fragte ihn Túrin: »Was ist Schicksal?«
    »Was das Schicksal der Menschen angeht«, erwiderte Sador, »musst du jene fragen, die klüger sind als Labadal. Doch wie jedermann sehen kann, altern wir rasch und sterben, und durch ein Missgeschick ereilt manche der Tod sogar früher. Doch die Elben altern nicht,
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