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Die Geschichte der Deutschen

Die Geschichte der Deutschen

Titel: Die Geschichte der Deutschen
Autoren: Wilhelm von Sternburg
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Gebiet des späteren Deutschland bis zur polnischen Grenze, über Nord- und Mittelitalien sowie Frankreich, Nordspanien, Belgien und die Niederlande.
    Die Kaisermacht beruht im Mittelalter noch ganz auf der Person des gesalbten Herrschers. Seine außergewöhnliche Stellung in der Gesellschaft wird äußerlich durch die Insignien der Macht wie Krone, Zepter, Reichsapfel und Reichsschwert unterstrichen. Die Anwesenheit des Kaisers in den verschiedenen, teilweise weit auseinander liegenden Ländern ist eine wichtige Voraussetzung, um den Herrscheranspruch zu unterstreichen. Keine leichte Aufgabe in |32| einer Zeit, zu der es weder schnelle Verkehrsmittel noch andere Kommunikationswege gibt, mit denen sich Distanzen mühelos überwinden lassen.
    Bis zum Bau der Eisenbahn bleiben Reisen in Europa ungemein beschwerlich und langwierig. Die Straßen und Wege sind verschlammt und löchrig. Reisen sind für die Kaiser wie für die Fürsten und Kaufleute stets ein notwendiges, aber gefährliches Abenteuer. So befindet sich Karl oft über Jahre hinweg in fernen Gebieten des Reiches. Seine Grafen haben inzwischen im kaiserlichen Namen für Ordnung und Frieden in den Regionen zu sorgen, in denen er nicht persönlich anwesend sein kann. An Hoftagen erlässt der Herrscher seine Kriegsbefehle und seine Kapitularien, die Gesetze und Verordnungen, die das Reich befrieden und zusammenhalten sollen. Sie regeln das soziale Zusammenleben und die wirtschaftlichen Entwicklungen. Die Reform des Münzwesens gehört ebenso dazu wie die Anordnung, Latein zur Verwaltungs- und Kirchensprache zu erheben.
    Der Hof Karls des Großen ist daher zunächst keine zentrale Regierungs- und Königsresidenz, wie wir es aus späteren Zeiten kennen. Denn nicht nur auf seinen Kriegszügen, sondern auch in Friedenszeiten ist der Kaiser ständig unterwegs, um bei seinen Untertanen Präsenz zu zeigen und Unruhen oder gar Aufstände gegen seine Herrschaft zu unterbinden. In Reims oder Metz, in Paris, Rouen oder Orléans entstehen Königshöfe, und über das gesamte Reichsgebiet errichten Karl und seine Nachfolger ein Netz von Kaiserpfalzen, zum Beispiel in Frankfurt am Main, in Paderborn oder im holländischen Nijmegen. Sie dienen dem Herrscher und seinem Reisegefolge während ihrer oft monatelangen Aufenthalte als Quartier und Festung. Schon vor der Kaiserkrönung wählt Karl dann aber Aachen zu seinem bevorzugten Aufenthaltsort.
    Als der Kaiser 814 stirbt, hinterlässt er ein äußerlich geeintes Reich. Wie hoch sein Ansehen gestiegen ist, beweist auch, dass die östlichen Völker unter dem Eindruck seiner machtvollen und erfolgreichen Politik den Eigennamen Karl als Königsbegriff für ihre Herrscher verwenden (im Russischen: Karol, im Polnischen: Król, im Ungarischen: Kiral). Nur Cäsar hat es vor ihm geschafft, dass sein Name in den Titel aller kommenden römischen Kaiser einfloss.
    Nachfolger Karls wird sein Sohn Ludwig, der wegen seiner engen Zusammenarbeit mit dem hohen Klerus und seinen Klostergründungen bald den Beinamen »der Fromme« erhalten wird. Nach Karls Tod lässt sich Ludwig I. vom Papst in Reims zum Kaiser krönen. In seinen Herrschaftsjahren beginnt, zunächst für |33| viele noch kaum merkbar, der allmähliche Niedergang der Karolinger. Eine verwirrende Geschichte, in der sich die Söhne gegen die Väter auflehnen und die Thronfolge durch Erbteilungen bestimmt wird, die das Reich immer weiter schwächen. Das begünstigt den Aufstieg anderer Herrscherhäuser. Die Herzöge in Sachsen, Bayern, Schwaben oder Lothringen erheben immer nachdrücklicher Anspruch auf politische Mitsprache. Ihre eigennützigen Interessen stürzen das Reich in Krisen. Die vielen Adelsfehden, die sie untereinander austragen, zerstören zahlreiche Landstriche und bedrohen die Königsherrschaft.
    Der Familienstreit ist der Anfang vom Ende der Karolinger: Die sich bekämpfenden Kaisersöhne Lothar, Ludwig und Karl einigen sich 843 in der Reichsteilung von Verdun auf die Grenzen ihrer jeweiligen Herrschaftsgebiete. Lothar, der formal die Kaiserkrone trägt, erhält das Mittelreich, das sich in einem schmalen Landstreifen von der Nordsee bis ans Mittelmeer hinzieht, Aachen und Rom umfasst, im Osten vom Rhein und im Westen von Schelde, Maas und Rhône begrenzt ist. Sein Bruder Karl herrscht in West- und Ludwig in Ostfranken, zu dem die Bischofssitze Mainz, Worms und Speyer gehören. Das führt nicht etwa zu modernen Staatsbildungen, aber die Territorien, die West- und
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