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Die Germanin

Titel: Die Germanin
Autoren: Robert Gordian
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Marsche zurückhing, und man ließ die beiden in Ruhe, bis er an der Spitze eines noch größeren Haufens herankam. Er war ein waffenstarrender Alter, dessen Gesicht eine lange Hiebnarbe in zwei ungleiche Hälften teilte. Wie alle seine Stammesbrüder trug er das graue Haar an der rechten Schläfe sorgsam zu einem Knoten gebunden.
    »Was höre ich?«, rief er mit einer heiseren, krächzenden Stimme. »Die Frau des Heerführers?«
    »Die bin ich!«, erwiderte Nelda und trat ihm entgegen. »Geflohen aus römischer Gefangenschaft. Weißt du, wo ich ihn finden kann?«
    »Das weiß ich genau, weit ist es nicht. Und ich rate dir, dich zu beeilen, wenn du ihn noch antreffen willst.«
    »Zu beeilen? Warum? Ist er im Aufbruch, will er fortgehen?«
    »Ja«, sagte der Semnonenhäuptling mit einem seltsam schiefen Lächeln, das seine entstellten Züge noch mehr verzerrte. »So kann man es nennen, er wird wohl fortgehen. Bist du wirklich seine Frau? Dieselbe, die damals von den Römern gefangen wurde?«
    »Ja, ja, ich sagte es doch!«, entgegnete sie aufgeregt.
    »Er hat oft von dir erzählt. Hat immer auf die feigen Römer geschimpft, die ein ganzes Heer heranführten, um eine schwache Frau fortzuschleppen. Du bist ihnen also entkommen.«
    »Bis hierher hab ich mich durchgekämpft. Der junge Krieger dort ist ein Verwandter. Du sagst, er ist ganz in der Nähe? Aber wo? Und warum…«
    »Lass uns beiseite treten«, sagte der Semnone, die Stimme dämpfend. Er deutete mit dem Kopf zu seinen Leuten hinüber. »Die dort wissen nicht alles und müssen noch nicht alles erfahren.«
    Er führte Nelda ein paar Schritte zum Flussufer hin, so dass ihnen ein Erlenstrauch Schutz vor Zuhörern bot.
    »So sprich doch!«, drängte Nelda. »Was sollen sie noch nicht erfahren?«
    »Nun«, sagte er ächzend, »was mit dem Heerführer geschehen ist. Sonst gibt es noch Unheil, Aufruhr. Sie lieben ihn, sie verehren ihn.«
    »Was ist mit ihm geschehen?«
    »Man hat ihn getroffen. Mit einem Speer.«
    »Mit einem Speer – getroffen?«, fragte sie, nach Atem ringend. »Lebt er?«
    »Als wir aufbrachen, lebte er noch.«
    »Wann seid ihr aufgebrochen?«
    »Heute morgen.«
    »Aber wie… wie kam das? Und wann…?«
    »Es muss vor zwei Tagen geschehen sein. Ich war nicht dabei. Sie sollen ihn gegen Abend gebracht haben. Ich erfuhr es erst in der Nacht, unser Lager war zwei Meilen entfernt. Ich ritt am Morgen gleich hin…«
    »Und wie fandest du ihn?«
    »In seinem Zelt lag er, war nicht bei Bewusstsein. Der Speer hatte ihn von hinten getroffen und die Spitze war vorn herausgetreten.«
    »O ihr Götter…«
    »Man hatte sie aber schon entfernt und den Speer herausgezogen. Es soll auf der Jagd passiert sein. War vielleicht Zufall, vielleicht wurde der Speer nach einem Tier geworfen. Oder man hielt ihn sogar für das Wild…«
    »Wer warf den Speer?«, fragte Nelda mit zitternder Stimme.
    »Das wollte ich auch wissen, aber niemand konnte es sagen. Ist eben im dichten Wald passiert, bei schlechtem Wetter, es dämmerte schon.«
    »Wer war denn bei ihm? Konntest du das erfahren?«
    »Du meinst, wer mit ihm auf der Jagd war?« Der Semnone seufzte. Er nestelte sein Trinkhorn vom Gürtel und warf es dem Gefolgsmann zu, dem er sein Pferd übergeben hatte. »Nun, das waren seine eigenen Leute«, fuhr er fort. »Wir lagerten ja schon länger dort in der Nähe, warteten nur darauf, dass es losging. Langobarden waren da, Dulgubnier… und natürlich seine Cherusker. Aber von denen fehlten noch welche, die hatten ja auch den weitesten Weg. Immer neue kamen heran.«
    »Und es waren nur Cherusker mit ihm auf der Jagd?«, fragte Nelda.
    »So hieß es. Nur Cherusker. Auf einmal waren sie sehr viele und sie brauchten Verpflegung. Deshalb gingen sie auf die Jagd.«
    »Hast du die Neuen gesehen… die zu ihm stießen?«
    »Ich war ab und zu beim Heerführer im Lager, aber…«
    »War so ein großer, starker Kerl mit einem Auge dabei und ein Rothaariger…«
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht, ich hab sie mir nicht genau angesehen. Auch Verwandte von ihm sollen angekommen sein. Sogar dieser Onkel, der ihn verriet, als es gegen Marbod ging. Und noch andere aus seiner Sippe. Wie man hörte, haben sie sich tüchtig gestritten. Mit Drohungen und Verwünschungen und sogar Faustschlägen. Versteht sich, der alte Groll. Vielleicht war es doch kein Zufall, dass ihn der Speer traf… Willst du einen Schluck Met? Der ist gut, trink nur, du brauchst Stärkung, bist totenbleich…«
    Der
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