Die Germanin
und schnappte etwas auf von dem, was sie redeten. Sie sprachen über Arminius und wie sie es schaffen könnten, in seine Nähe zu gelangen. Ich hörte, wie einer sagte: ›Die Freiheit für seine Leiche… kein schlechter Tausch!‹ Und ein anderer fügte hinzu: ›Aber das Geld! Wie beweisen wir es, damit wir das Geld bekommen?‹ Mehr konnte ich leider nicht verstehen. Was sagt ihr dazu?«
»Wenn das wahr ist«, presste Ukro hervor, wobei seine Hand zum Gürtel fuhr, wo das Schwert hing, »dann müssen wir zu ihm. Müssen den Heerführer warnen!«
»Das ist meine Absicht!«, bekräftigte Nelda.
»Aber wie finden wir ihn?«
»Ihr sagtet, ihr wolltet ihn am Albis treffen?«
»Ja. Aber ganz sicher war unser Gefolgsherr auch nicht.«
»Vielleicht erfahren wir etwas auf seinem Wehrhof«, sagte Nelda. »Vielleicht ist er dorthin zurückgekehrt. Ich kenne den Weg. Ich kenne hier alle Wege. Ich führe euch hin!«
Am nächsten Morgen trennte sie sich von ihrem bisherigen Reisebegleiter. Der Händler grollte ihr, weil sie ihn mitten im gefährlichen Land der Chatten im Stich ließ. Unverzüglich machte er kehrt. Die elf jungen Männer rüsteten aufgeregt, mit fröhlichem Mut, nun wieder mit einem lohnenden Ziel vor Augen, zum Aufbruch.
Zuvor musste allerdings ein Pferd für ihren neuen Gefährten besorgt werden. Sie losten mit Steinchen und drei von ihnen machten sich auf den Weg. Die Sonne stand noch nicht im Zenit, als sie mit einer kleinen, aber kräftigen, langhaarigen Schimmelstute zurückkamen. Sie erzählten, einander übermütig ins Wort fallend, eine Räubergeschichte und Nelda empfand einen Augenblick Mitleid für den Bauern, dem sie das Pferd gestohlen hatten. Doch ihr Gerechtigkeitssinn musste sich stärkeren Gefühlen beugen. Es galt, keine Zeit mehr zu verlieren. Die Geschichte, die sie den jungen Männern erzählt hatte, war zwar erfunden, aber ihr wesentlicher Inhalt, daran hatte sie keinen Zweifel, entsprach der Wahrheit. Segithank, Hauk und die anderen waren den Marmorbrüchen von Luni entronnen, weil sie sich zu einer gefährlichen Unternehmung, die im Interesse des römischen Staates lag, bereit erklärt hatten. Während der Caesar im Senat einen gefälschten Brief und eine Antwort darauf verlesen ließ, in der er heimtückische Anschläge auf Roms Gegner ausschloss, wurde ein solcher Anschlag ins Werk gesetzt. Die Mörder waren unterwegs und im Augenblick hatten sie noch einen Vorsprung. Dieser war allerdings geschrumpft, weil sie sich gewohnheitsmäßig und beutegierig in eine Stammesfehde eingemischt hatten. Ihre Verfolger hatten auch keine Mühe, ihre Spur wiederzufinden, hinterließen sie doch überall, wo sie durchkamen, Zeichen ihrer Verruchtheit und Grausamkeit.
Als Nelda und ihre elf Gefährten Anfang September die Adrana überschritten hatten und im Hügelland nördlich des Flusses unterwegs waren, hatten sie sich ihnen so weit genähert, dass ihr Rückstand nur noch einen Tag betrug.
Die Hoffnung, sie zu überholen und ihnen zuvorzukommen, erwies sich jedoch als trügerisch. War Neldas abenteuerliche Unternehmung, die ihr Gaius Sempronius nicht zugetraut hatte, bisher wider Erwarten glücklich verlaufen, so begannen über Nacht die Schwierigkeiten. Das erste Unglück war ein fürchterliches Gewitter, bei dem ein Blitz in eine Eiche einschlug, unter der sie mit ihrem Trupp lagerte. Einer der jungen Männer, ein Chattuarier, wurde erschlagen, drei andere, von denen zwei nicht weiter konnten, erlitten Verbrennungen. Auch zwei Pferde verendeten. Nelda versorgte die Verletzten, so gut es ging. Man brachte sie bei einer Bauernfamilie unter, die die beiden jedoch nur unter der Bedingung gesund pflegen wollte, dass sie deren Pferde bekam. Drei Tage waren verloren und nur noch zu neunt setzten sie sich mit acht Pferden wieder in Bewegung. Auf der Suche nach Hilfe waren sie vom Weg abgekommen. Sie mussten Flüsse überqueren und lange nach Furten suchen. Sie verirrten sich schließlich, nachdem sie einige Male bei düsterem, wolkenverhangenem Himmel die Richtung gewechselt hatten, in einer vollkommen menschenleeren Berggegend, zwischen bizarren Felsen und gähnenden Schluchten. Ihre Wegzehrung war bald aufgebraucht, Jagdglück hatten sie nicht und so mussten sie eines der Pferde schlachten. Halb roh verschlangen sie das Fleisch, weil das Feuer, das sie schlugen, von Regengüssen immer wieder gelöscht wurde. Des Nachts wurden sie von Wölfen bedroht, die ihnen den Rest ihrer Mahlzeit raubten.
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