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Die Germanin

Titel: Die Germanin
Autoren: Robert Gordian
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vorübergezogen war, um gegen die Markomannen zu kämpfen. Sie drängten sich an der niedrigen Tür der Hütte, um die Fiebernde auf dem Strohlager zu begaffen, manche wunderten sich über ihre seltsame Haartracht, andere bedauerten sie, weil sie so berühmt und doch so elend war und nun wohl sterben müsse. Eine weise Frau ließ sich an ihrer Seite nieder, kochte Tränke und murmelte unentwegt Zaubersprüche. Anfangs war die Kranke lebhaft, hatte glühende Wangen, warf sich herum, richtete sich auf, redete viel, wenn auch wirr und unverständlich. Dann aber lag sie einen ganzen Tag lang still und bleich auf dem Rücken, die Augen geschlossen, kaum noch wahrnehmbar atmend. Die Alte, völlig erschöpft, erklärte, nun nichts mehr tun zu können. Noch immer wurde die Hütte belagert und die Gesichter, die hereinblickten, erstarrten vor Mitleid und Sorge.
     
    Inzwischen hatte sich Ukro umgehört und manches erfahren. So konnte er nun fast sicher sein, dass Arminius nicht weit war. Die Fischer und Bauern in den umliegenden Weilern vermuteten, dass er sich am »großen Fluss«, dem Albis, bei den Semnonen aufhalte und dort ein Heer gegen irgendwelche Stämme sammle, die von ihm abgefallen waren. Auch mit seinen eigenen Leuten, den Cheruskern, sei er nicht einig, wollten einige wissen, die gegen Marbod unter seiner Führung gekämpft hatten. Ob es sich aber um Inguiomer, seinen Onkel, oder um andere handelte, wussten sie nicht. Ukro musste immer wieder an die »Sklavenbande« denken, die es inzwischen geschafft haben konnte, zu Arminius vorzudringen. Hin und wieder warf er einen besorgten Blick in die Hütte. Wäre es nicht besser, sagte er sich, allein aufzubrechen, um den Heerführer zu warnen und vielleicht noch zu retten, anstatt hier zu warten, bis der Tod, der unvermeidliche, zu der Kranken kam? Zweimal bestieg er sein Pferd und saß wieder ab. Er brachte es nicht fertig, sie zurückzulassen.
    So verging eine weitere Nacht in der Fischerhütte und zu aller Verwunderung schlug Nelda am nächsten Morgen die Augen auf, lächelte und fragte, wo sie sei. Später erhob sie sich und trat vor die Hütte. Sie war noch sehr schwach und Ukro musste sie stützen. Aber das Ärgste war überstanden und als man ihr einen Becher mit Ziegenmilch brachte, trank sie. Die beglückten Dörfler taten nun alles, damit sie wieder zu Kräften kam. Sie öffneten einen Krug mit Met für sie, der eigentlich für das nächste Fest bestimmt war, brachten Äpfel und Beeren, kochten Fischsuppe und schlachteten sogar ein Schweinchen. Die Alte, die Neldas Genesung ihren Tränken und Sprüchen zuschrieb, erhielt einen Pelz als Belohnung.
    Lange konnte Ukro nicht zurückhalten, was er erfahren hatte. Am nächsten Morgen berichtete er alles. Nelda fiel ihm um den Hals und schon am dritten Tag ihrer Genesung saß sie zu Pferde. Sie war sehr mager geworden, spitz zeichneten sich ihre Schultern unter dem groben Kittel ab, der sie umschlotterte. Ihr Haar war nun fast völlig grau. Groß und tief umschattet blickten die Augen aus dem bleichen, schmalen, knochigen Gesicht. Doch der Ausdruck der Müdigkeit und Gleichgültigkeit, den sie in den Jahren der Gefangenschaft angenommen hatten, war gewichen. Aus ihnen strahlte jetzt Freude, Erwartung, Hoffnung.
    Es war nicht notwendig, den beiden Reisenden den Weg zu beschreiben. Sie mussten nur dem Fluss Sala in nördlicher Richtung folgen. Zum Abschied versammelten sich die gastfreundlichen Hermunduren und ein mehr als hundertköpfiger Schwarm folgte ihnen noch lange lachend und winkend. Fischer sprangen in ihre Boote und gaben den Reitern auf dem Uferpfad bis zur nächsten Flussbiegung das Geleit.
    Nicht mehr lange waren die beiden unterwegs. Nur ein halber Tag lag noch zwischen der Freude des Abschieds und dem Schrecken der Ankunft.

 
30
     
    Schon nach wenigen Meilen stießen sie auf einen Haufen von Kriegsvolk. Es war die Vorhut eines Aufgebots der Semnonen, das heimwärts zog. Die Männer waren übel gelaunt. Sie hatten den weiten Weg zum Sammelpunkt des Heeres zurückgelegt, jedoch keinen Feind gesehen und waren ohne Beute geblieben. Um sich schadlos zu halten, griffen ein paar wüste Kerle nach den Zügeln der Pferde. Da schrie Ukro ihnen entgegen, wer die Frau war, die sie berauben wollten. Zuerst antworteten sie mit Hohn und Gelächter, weil sie glaubten, die beiden wollten sich mit dieser lächerlichen Notlüge schützen. Einige liefen aber zu ihrem Anführer, der ein paar hundert Schritte auf dem
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