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Die Geliebte des Normannen

Die Geliebte des Normannen

Titel: Die Geliebte des Normannen
Autoren: Brenda Joyce
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einigen seiner Freunde, anderen Jungen, die in etwa so alt waren wie der Prinz – um die sechzehn Jahre. Und sie waren alle mächtig betrunken. Einer von ihnen grölte ein ordinäres Lied. Unter ihnen befand sich eine Dienstmagd; zwei der Jungen hatten einen Arm um sie gelegt. Ihre zerrissene Tunika gab den Blick auf einen üppigen Busen und feste Brustwarzen frei. Im ersten Augenblick starrte Stephen verblüfft, doch als einer der Jungen sich an dem Mädchen zu schaffen machte, wandte er sich mit hochrotem Kopf ab.
    Der Prinz fixierte den sechsjährigen Jungen. Aus einem unerklärlichen Grund verstärkte sich Stephens Unbehagen noch mehr. Rufus' Gesicht war vom Alkohol gerötet, und seine Augen funkelten wild.
    Mit gekrümmtem Zeigefinger lockte er leise: »Komm her, mein hübscher Stephen!«
    Stephen stand reglos da. Nicht nur, dass die Augen des Prinzen funkelten und ungewöhnlich glänzten, er hatte auch in einer höchst intimen Art und Weise seinen Arm um einen jüngeren Knaben gelegt. Stephen kannte diesen Jungen nicht; er trug die schäbige Kleidung eines Leibeigenen. Er war sicher nicht der Sohn eines großen Lords, der am Königshof erzogen werden sollte. Als sich ihre Blicke trafen, spürte Stephen sofort große Sympathie für den Jungen.
    Sein Vater hatte ihn gewarnt, es gebe bei Hofe Männer, die Knaben zugetan waren, und ihm eingeschärft, ihnen gegenüber sehr zurückhaltend zu sein. Stephen hatte das nur ungefähr verstanden. Er hatte Lust in den meisten ihrer Formen gesehen, auch wenn er ihre Bedeutung nicht erfasst hatte. Nun aber begriff er mit einem Mal, und es verblüffte und erschreckte ihn.
    Aber er musste sich einfach irren! Schließlich war dies Rufus, der Sohn des Königs!
    Der Prinz trat näher, er schien den anderen Jungen plötzlich vergessen zu haben.
    »Guten Abend, Stephen«, sagte er lächelnd.
    Wenn er lächelte, sah er ganz gut aus, trotz seiner wirren, flammendroten Haare. Er schlang die Arme um Stephens schmale Schultern und drückte ihn an sich.
    »Trink meinen Wein. Er ist außerordentlich gut, aus Burgund.«
    Der Prinz war sein Freund, sagte sich Stephen. Doch sein Herz begann zu hämmern und zu rasen. Seit seiner Ankunft in Winchester war Rufus stets freundlich zu ihm gewesen – als einziger von allen Jungen. Doch der gierige Blick, mit dem der Prinz ihn angaffte, behagte ihm ebenso wenig wie die amüsierten und erwartungsvollen Mienen seiner Freunde, und auch die offensichtliche Erleichterung des jungen Leibeigenen alarmierte ihn irgendwie. Stephen kam sich nicht nur wie die Zielscheibe eines unbegreiflichen Scherzes vor, sondern er hatte zudem das Gefühl, dass es sich um einen grausamen, ja einen gefährlichen Scherz handeln musste. Er fühlte sich in der Falle und befreite sich rasch aus der Umarmung des Prinzen.
    »Nein, danke, Mylord.«
    Rufus streichelte seinen Rücken.
    »Warum bist du denn heute so formell, mein Junge? Komm, setz dich zu mir, sag mir, wieso du anscheinend plötzlich Angst vor mir hast.«
    Stephen wollte nicht begreifen, was vor sich ging, und doch tat er es. Er begriff, dass in der Absicht des Prinzen nicht einfach nur Freundschaft lag. Er begriff die unnatürliche Lust des Prinzen.
    Während er innerlich zerrissen dastand, nicht gewillt, das Schlimmste zu glauben, nicht gewillt, seinen einzigen Freund aufzugeben, und dennoch wissend, dass er in Gefahr schwebte und fliehen musste, ertönte plötzlich eine unbekannte Stimme: »Lass ihn in Ruhe, Will. Lass ihn in Ruhe!«
    Stephen zuckte zusammen. Ein Halbwüchsiger, den er nie zuvor gesehen hatte, bahnte sich mit Gewalt seinen Weg durch die Jungen. Der Größe nach schien er nicht älter zu sein als Stephen, doch in seinem Ton lagen Klugheit und Autorität. Und obwohl seine Gesichtszüge wesentlich ebenmäßiger waren und seine Haare eine weit weniger kräftige Farbe hatten, war seine Ähnlichkeit mit Rufus nicht zu verkennen. Dies musste Henry sein, der jüngste Sohn des Königs.
    »Wer hat dir erlaubt, dich einzumischen?«, fragte Rufus eisig.
    Henrys Lächeln war nicht weniger kalt.
    »Bist du noch zu retten? Du willst den Jungen missbrauchen, der eines Tages der Herrscher über Northumberland sein wird? Der eines Tages dein stärkster Verbündeter sein wird?«
    Stephen begann zu zittern, denn jetzt hatte er voll und ganz begriffen. Sein Herz schlug nun heftig, aus Furcht und aus Zorn. Mit Freundschaft hatte das Interesse des Prinzen an ihm heute Abend nichts zu tun – nein, es hatte nie etwas mit
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