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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
Autoren: Katherine Pancol
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den Deckel von einem Topf und erwartete, darin ein fertiges Gericht zu finden. Sie war erst vierzehn Jahre alt, doch ihre Haltung und ihr Auftreten waren bereits das einer Frau. Sie trug eher schlichte Kleidung, aber sie hatte die Ärmel ihrer Bluse hochgekrempelt, den Kragen geschlossen, eine Brosche angesteckt und einen breiten Gürtel umgelegt, der ihrem Schulmädchenaufzug modischen Schick verlieh. Ihr rötlich schimmerndes Haar betonte ihren hellen Teint, der Blick ihrer großen grünen Augen drückte leise Verwunderung aus, gepaart mit einer kaum merklichen Verachtung, die ihre Umgebung auf Distanz hielt. Wenn es ein Wort gab, das eigens für Hortense geprägt worden zu sein schien, dann war es »Distanz«. Von wem hat sie bloß diese Gleichgültigkeit?, fragte sich Joséphine jedes Mal, wenn sie ihre Tochter betrachtete. Von mir jedenfalls nicht. Verglichen mit meiner Tochter bin ich so furchtbar naiv und unbeholfen!
    Sie schmeckt nach Stacheldraht, dachte sie, nachdem sie sie geküsst hatte. Und weil sie wegen dieses Gedankens ein schlechtes Gewissen hatte, küsste sie sie erneut. Genervt machte sich Hortense von ihr los.
    »Pommes frites und Spiegeleier …«
    Hortense verzog das Gesicht.
    »Echt super für die Figur, Maman. Haben wir kein Fleisch?«
    »Nein, Schatz, ich … ich hatte keine Zeit, zum …«
    »Schon kapiert. Wir haben nicht genug Geld, Fleisch ist teuer!«
    »Weißt du …«
    Joséphine kam nicht mehr dazu, ihren Satz zu beenden, weil ein zweites Mädchen in die Küche stürmte und die Arme um ihre Taille schlang.
    »Maman! Meine allerliebste Maman! Ich habe gerade Max Barthillet im Treppenhaus getroffen, und er hat mich gefragt, ob ich mit ihm Peter Pan gucken will! Sein Vater hat ihm die DVD mitgebracht … Darf ich heute Abend nach der Schule zu ihm gehen? Ich habe für morgen auch keine Hausaufgaben auf. Sag Ja, Maman, bitte, bitte, sag Ja!«
    Der grenzenlosen Zuversicht und Liebe in Zoés Miene konnte Joséphine nicht widerstehen. Sie zog sie an sich und antwortete: »Natürlich darfst du gehen, Liebes, meine Süße, meine Schöne, mein kleines Baby…«
    »Max Barthillet?«, zischte Hortense. »Zu dem Kerl lässt du sie gehen? Der ist genauso alt wie ich und immer noch in Zoés Klasse! Er bleibt ständig sitzen, irgendwann endet der noch als Metzgergehilfe oder Klempner.«
    »Es ist keine Schande, als Metzger oder Klempner zu arbeiten«, wies Joséphine sie zurecht. »Und wenn ihm das Lernen nun mal nicht liegt …«
    »Ich möchte nicht, dass er zu viel mit uns zu tun hat. Ich hätte Angst, dass es sich rumspricht! Er hat einen furchtbaren Ruf und sieht auch wirklich furchtbar aus mit seinen weiten Hosen, seinen Nietengürteln und diesen langen Haaren.«
    »Angsthase!«, rief Zoé. »Außerdem hat er nicht dich eingeladen, sondern mich! Und ich gehe heute Abend zu ihm, nicht wahr, Maman? Mir ist nämlich egal, ob er Klempner wird! Ich finde Max Barthillet wunderschön! Was gibt’s zu essen? Ich sterbe vor Hunger.«
    »Pommes frites und Spiegeleier.«
    »Mmmm, lecker! Darf ich das Eigelb aufstechen, Maman? Kann ich es mit der Gabel zerquetschen und ganz viel Ketchup draufschütten?«
    Hortense quittierte die Begeisterung ihrer jüngeren Schwester mit einem Schulterzucken. Mit ihren zehn Jahren erinnerte Zoé immer noch ein wenig an ein Kleinkind. Sie hatte runde Wangen, pummelige
Arme, Sommersprossen auf der Nase und kleine Grübchen in den Wangen. Ihr ganzer Körper war weich und rund, und sie verteilte liebend gerne schmatzende Küsse, zu denen sie schwungvoll Anlauf nahm und sich wie ein Rugbyspieler auf den glücklichen Empfänger stürzte. Anschließend kuschelte sie sich wohlig an und drehte eine Strähne ihres hellbraunen Haars zur Locke.
    »Max Barthillet lädt dich doch bloß ein, um an mich ranzukommen«, erklärte Hortense, während sie mit ihren weißen Zähnen an einem Kartoffelstäbchen knabberte.
    »Angeberin! Du glaubst wohl, alle Jungs wären nur hinter dir her. Aber er hat mich eingeladen und nur mich. Ätsch! Dich hat er im Treppenhaus nicht mal angeguckt! Kein bisschen!«
    »Von Naivität zu Dummheit ist oft nur ein kleiner Schritt«, versetzte Hortense und musterte ihre Schwester kühl.
    »Was meint sie damit, Maman? Was heißt das?«
    »Das heißt, dass ihr jetzt aufhört zu reden und in Ruhe esst!«
    »Isst du nichts?«, fragte Hortense.
    »Ich habe keinen Hunger«, antwortete Joséphine und setzte sich zu ihren Töchtern an den Tisch.
    »Max Barthillet
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