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Die Geisel

Titel: Die Geisel
Autoren: Michael Katz Krefeld
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Søren vom Beifahrersitz. Sie blätterte es rasch durch und stieß auf Katrines Notizen. Was die Pflegefamilie betraf, war eine Adresse auf Falster angegeben. Das war zwar näher als Lemvig, doch immer noch so weit entfernt, dass sie nicht glaubte, dass Timmie dort versteckt war. Blieben nur noch die verschiedenen Heime, in denen er gewesen war. Und dort hatte er Timmie gewiss nicht versteckt. Sie blätterte weiter und entdeckte Sørens Blatt mit den Glanzbildchen, das Katrine dem Dossier beigelegt hatte.
    Thorbjørn Larsen hatte damals gesagt, dass dieses Blatt eine ganz besondere Bedeutung für ihn haben müsse. Dass es vielleicht eine gute Erinnerung oder eine Belohnung war, die er als Kind bekommen hatte. Sie überprüfte das Datum, das neben dem Copyright auf den Rand des Blatts gedruckt war. 1975. Søren war damals neun Jahre alt gewesen. So alt wie die Jungen, die er später getötet hatte.
    Sie blätterte weiter. Damals hatte er im Kinderheim Birkevang gewohnt. Sie fand die Adresse weiter unten und sah, dass es gar nicht so weit entfernt lag. Sie wollte sofort dort anrufen, erkannte aber, dass es sich um eine alte dreistellige Telefonnummer handelte. Stattdessen rief sie die Auskunft an, die aber keine Festnetznummer registriert hatte.
    Sie setzte sich ins Auto und ließ den Motor an. Obwohl das Kinderheim innerhalb der Bezirksgrenzen lag, hatte sie noch nie davon gehört. Irgendetwas sagte ihr, dass es nicht mehr existierte. Zu gern hätte sie Katrine angerufen und sich erkundigt, ob die Polizei diesen Ort untersucht hatte, wovon sie fest ausging. Doch wäre es unklug, mit ihr Kontakt aufzunehmen, solange Katrine mit Tom und seinen Leuten zusammen war. Sie war sicher, dass die Polizistin sich bei ihr melden würde, sobald sie Gelegenheit dazu fand.
    Maja schaute auf die Uhr. Am sinnvollsten wäre es, dieses Birkevang gleich mal unter die Lupe zu nehmen. Wenn sie ohne Probleme den Weg fand, würde sie es noch schaffen, ehe es dunkel wurde.
     

53
    Die alte Landstraße lag am Rand der Bezirksgrenze. Ein großes Schild kündigte den baldigen Bau eines neuen Einkaufszentrums an. Die Straße führte Maja durch einen kleinen Birkenwald. Darin sollte das Kinderheim liegen. Die weißen Birkenstämme standen nackt und gespenstisch in der trockenen, vergilbten Landschaft. Sie erinnerte sich, dass Olivers Leiche nicht weit von hier im Moos gefunden worden war.
    Ihr Handy meldete sich. Es war Claus.
    »Hallo, Claus«, antwortete sie, während sie nach dem Gebäude Ausschau hielt.
    »Du hast mich angerufen?«, sagte er.
    »Ja, es geht um das gerichtspsychiatrische Gutachten über Søren Rohde. Hast du das immer noch?«
    Am anderen Ende wurde es still.
    »Hallo?«
    »Ja, äh … Was willst du damit?«
    »Ich wollte es mir gerne mal anschauen … Aus reiner Neugier. Aber das ist jetzt nicht mehr so wichtig.«
    »Das Gutachten … Das hat die Polizei«, entgegnete er unsicher. »Tut mir leid.«
    »Bist du sicher?«
    »Ja.«
    In diesem Moment entdeckte sie eine rostige Kette, die die Zufahrt zu einem kleinen Waldweg versperrte. Sie trat so hart auf die Bremse, dass die Reifen quietschten.
    »Wo bist du?«, fragte Claus.
    Sie zögerte, ehe sie antwortete. »Auf dem Weg nach Hause. Ich muss mich jetzt beeilen. Wir sprechen uns.« Sie legte auf und setzte zurück. Sie wusste nicht, warum sie ihn angelogen hatte. Vielleicht weil sie daran zweifelte, dass Timmie hier war, und sich nicht auch noch den Zweifel anderer Leute anhören wollte. Vielleicht weil Sørens Paranoia sie angesteckt hatte und sie nicht mehr wusste, wem sie noch vertrauen konnte. Inklusive des hübschen Claus.
    Sie fuhr ein Stück zurück und hielt vergeblich nach einer Nummer des Grundstücks Ausschau. Maja nahm ihre Sonnenbrille ab und betrachtete den überwachsenen Weg, der eher ein Pfad war. Er machte einen kleinen Knick, und es war nicht zu sehen, wohin er führte. Sie stieg aus und ging zur Heckklappe. Aus ihrer Arzttasche nahm sie eine kleine Taschenlampe, eine Flasche Mineralwasser und ihr Skalpell. Das Skalpell steckte sie in die Vordertasche ihres Kleids. Es war keine sehr effektive Waffe, aber zumindest fühlte sie sich damit sicherer.
    Sie stieg über die Kette und ging den Pfad entlang. Im Schatten der Bäume war es angenehm kühl. Nach kurzer Zeit sah sie in der Ferne ein großes rotes Gebäude. Es hatte drei Stockwerke, schien aus dem neunzehnten Jahrhundert zu stammen und hätte ein altes Schulgebäude oder ein Sanatorium sein können. Das
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