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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten
Autoren: Tom Harper
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Konstantinopel ist Eusebius. Constantius hat ihn vergangene Woche in seinem Amt bestätigt.
    «Was du da oben auf dem Dach getrieben hast, zusammen mit ausgemachten Feinden des Staates …» Er schüttelt den Kopf. «Wenn du mir diese Nachricht nicht hättest zukommen lassen, sähe die Sache anders aus. Aber jetzt ist alles geregelt.»
    Alles geregelt. Konstantins Söhne – Constantius, Claudius und Constans – werden das Erbe unter sich aufteilen. Jeder bekommt seinen eigenen Hof und sein eigenes Heer, um Schlachten zu schlagen und Beute zu machen. In spätestens drei Jahren wird es zum offenen Krieg kommen.
    «Du hast das Richtige getan und Erholung verdient», sagt er. «Geh in deine Villa in Moesia und genieße deinen Ruhestand.»
    Er will mir noch etwas anderes sagen und scheint nach Worten zu suchen. Er nimmt einen marmornen Briefbeschwerer in die Hand, einen Vogel, und spielt damit, in Gedanken versunken.
    «Wenn es einer weiß, dann du. Auf dem Dach – war es wirklich …»
    «Nein», antworte ich mit Bestimmtheit.
    «Dachte ich’s mir doch.» Er setzt den Vogel wieder ab und langt nach einem Schriftstück. Er liest, und als er wieder aufblickt, scheint er überrascht, dass ich immer noch vor ihm stehe.
    «Mein Schreiber wird dir eine Erlaubnis für deine Heimreise ausstellen. Geh zurück nach Moesia und ruh dich aus.»
    Er lächelt versöhnlich.
    «Falls sich etwas Neues ergibt, werde ich dir Bescheid geben lassen.»

Belgrad, Serbien – Juni
    Es fühlte sich an wie der erste Sommertag. Auf der Knez Mihailova kam man vor lauter Tischen und Stühlen, die vor den Cafés standen, kaum mehr voran. Geranien wucherten aus Betonkübeln. Abby saß in einem beigefarbenen Kostüm mit kurzem Rock in der Sonne und ließ einen Löffel Eiscreme auf der Zunge zergehen. Auf einem großen Fernsehmonitor hinter ihr war ein Tennismatch in Wimbledon zu sehen.
    Sie entdeckte Nikolić, der mit einer Zeitung unterm Arm über die Straße kam und nach ihr suchte. Sie winkte ihn herbei.
    «Sie sehen gut aus», sagte sie.
    «Sie auch.»
    Er bestellte einen Kaffee und rückte seinen Stuhl so zurecht, dass er durch den Fernseher nicht abgelenkt werden konnte. Auf Abby machte er einen leicht nervösen Eindruck. Kein Wunder, dachte sie in Erinnerung daran, dass er ihr beim letzten Treffen als Fluchthelfer hatte dienen müssen.
    «Danke, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind.»
    «Ist mir ein Vergnügen. Sind Sie aus beruflichen Gründen in Belgrad?»
    «Ja, aber in einer anderen Sache. Ich arbeite wieder für den Internationalen Strafgerichtshof und nehme hier an einer Konferenz teil.»
    «Auf der Seite der Guten, wie ich hoffe. Beim letzten Mal war ich mir nicht so sicher.»
    «Ich auch nicht.» Seit der Flucht in Nikolićs Wagen war sie das erste Mal wieder in Belgrad. Es hatte sie Überwindung gekostet zurückzukehren, und dass sie einen großen Bogen um die Kalemegdan-Zitadelle machen würde, stand für sie außer Frage. Aber es waren Monate vergangen – und sie hatte sich verändert.
    So gleichmütig, wie es ihr möglich war, erzählte sie ihm von der versteckten Botschaft im Gedicht, der Fahrt nach Istanbul –
    «Aber Konstantin hatte doch schon 326 verfügt, in Rom beigesetzt zu werden», unterbrach Nikolić.
    «Ja, das haben wir dann auch festgestellt. Wären Sie noch bei uns gewesen, hätten wir uns den Umweg ersparen können.»
    Sie berichtete weiter: von der Katakombe, den Staurogrammen und dem jahrhundertelang eingemauerten Sarkophag. Nikolić hörte ihr aufmerksam zu und ließ darüber seinen Kaffee kalt werden.
    Als sie zum Ende gekommen war, sagte er für eine Weile nichts.
    «Ihre Geschichte wird immer bemerkenswerter.»
    Abbys Eiscreme war geschmolzen.
    «Ja, bis auf den Schluss. Der Sarg war leer. Alles umsonst.»
    «Dragović ist tot», entgegnete er. «Im Fernsehen war zu sehen, wie seine Leiche aus der Katakombe geborgen wurde. Man hat es gezeigt, damit jeder sieht, dass er tot ist.» Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: «Aber natürlich gibt’s noch eine andere Möglichkeit.»
    «Welche?»
    «Einer Legende zufolge hat Konstantins Mutter Helena kurz vor ihrem Tod eine Pilgerreise ins Heilige Land unternommen. Dort, so heißt es, hätten Christen sie an einen Ort geführt, wo das Kreuz Christi aufbewahrt gewesen sei. Das Relikt habe sich für sie als echt herausgestellt, weil es ihr dank seiner Kraft gelungen sei, eine alte Bäuerin von den Toten zu erwecken.»
    Im Rücken von Abby entschied der serbische
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