Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geheimnisse der Patricia Vanhelsing

Die Geheimnisse der Patricia Vanhelsing

Titel: Die Geheimnisse der Patricia Vanhelsing
Autoren: Alfred Bekker
Vom Netzwerk:
erzählen, was du gesehen hast, Patti?"
    "Das Gesicht einer Frau."
    "Kennst du sie?"
    "Ich glaube nicht. Aber hundertprozentig sicher bin ich mir auch nicht. Die Frau war sehr bleich. Wie eine Tote beinahe. Sie hatte blondes Haar und eine Henkerschlinge um den Hals..."
    "Gibt es sonst noch irgendwelche Einzelheiten, an die du dich erinnerst?"
    "Nein." Ich zuckte die Achseln. "Aber ich werde dieses Gesicht einfach nicht mehr los... Es scheint mich zu verfolgen. Ich brauche nur die Augen zu schließen und sehe es wieder vor mir. Es wirkt so real..."
    "Was empfindest du dabei?", fragte Tante Lizzy, während sie den Tee einschüttete.
    "Bedrohung", sagte ich spontan. "Und dann dieser Strick um ihren Hals..." Ich musste unwillkürlich schlucken. "Was auch immer er bedeuten mag, es kann kaum etwas Gutes sein. Weder, wenn man ihn symbolisch versteht, noch wenn diese Szene tatsächlich eintreten sollte..."
    "Du musst wachsam sein und alles um dich herum aufmerksam beobachten", riet Tante Lizzy mir. Sie nahm dabei meine Hand. "Dieser Traum hat zweifellos eine Bedeutung, aber im Moment ist es nicht mehr als ein Schlaglicht... Es fehlt der Zusammenhang."
    "Ja." Ein Gefühl der Kälte erfasste mein Inneres. Unbehagen hatte sich in mir ausgebreitet. Etwas wird geschehen, dachte ich. Schon sehr bald...  
    Es hatte keinen Sinn solch düstere Ahnungen einfach verscheuchen zu wollen oder sie zu ignorieren. Das hatte ich früher versucht, als ich meine Gabe noch nicht als Teil meiner selbst akzeptiert hatte. Ich musste mich dem stellen, was auf mich zukam. Es gab keine andere Möglichkeit.
     
    *
     
    In der Redaktion der LONDON EXPRESS NEWS herrschte die übliche Hektik. Ich traf mit leichter Verspätung ein, wofür mein kirschroter Oldtimer-Mercedes verantwortlich war. Er hatte sich gehörig Zeit gelassen, bis endlich der Motor angesprungen war.
    Ich hoffte nicht, dass das gute Stück - ein Geschenk von Tante Lizzy - jetzt langsam seine Mucken bekam. Ich betrat mit schnellem Schritt das Großraumbüro unserer Redaktion, das beinahe eine ganze Etage im Verlagsgebäude an der Lupus Street einnahm. Ziemlich direkt hielt ich auf meinen Schreibtisch zu, hängte die Handtasche über den Sessel des Drehstuhls und schaltete das Computerterminal ein. Dann atmete ich tief durch, nahm mir eine Tasse des dünnen Redaktionskaffees und wartete, bis das Logo unserer EDV auf dem Computerschirm erschien.
    Unser Chefredakteur Michael T. Swann hatte als einziger ein Extra-Büro. Ich sah aus den Augenwinkeln heraus, wie sich dort gerade die Tür öffnete. Aber nicht unser allgewaltiger Chef trat mit den gewohnt hochgekrempelten Hemdsärmeln heraus, sondern mein Kollege Jim Field.
    Jim war wie ich 26 Jahre alt und galt als der Starfotograf der LONDON EXPRESS NEWS. Sein blondes Haar war wie gewöhnlich ungebändigt und stand wirr herum, nachdem er sich mit der Hand hindurchgefahren war. Sein Jackett war knitterig, das Revers von den Riemen der Kamerataschen völlig ruiniert. Und seine Jeans wirkte wie ein Museumsstück für Woodstock-Veteranen.
    Jims Kopf war hochrot.
    Eigentlich war er ein stets gutgelaunter und zu witzigen Bemerkungen aufgelegter Mann. Aber in diesem Moment stand ihm der Ärger ins Gesicht geschrieben.
    "Glauben Sie vielleicht, die NEWS ist das einzige Blatt, das Bilder druckt?", rief er empört in das Büro hinein, so dass man es bis zu meinem Schreibtisch hören konnte. Der Geräuschpegel im Großraumbüro legte sich etwas. Das Stimmengewirr wurde leiser.
    Swanns Erwiderung war nicht zu verstehen.
    Jim machte eine wegwerfende Handbewegung.
    Und dann ging er davon.
    Direkt auf meinem Schreibtisch zu.
    Die Tür zu Swanns Büro wurde von innen ziemlich unsanft geschlossen.
    Als Jim mich sah, stoppte er mitten in der Bewegung. Dann zwang er sich zu einem Lächeln.
    "Hallo, Patti!"
    "Was ist denn los, Jim?"
    Jim verdrehte die Augen. "Du kennst Swann doch..."
    "Sicher..."
    "Er regt sich auf, nur weil er die Bilder ein bisschen später auf dem Tisch liegen hatte. Mein Gott, was gut werden will, muss manchmal auch die nötige Zeit dazu haben! Aber für Swann zählt die Minute. Als ob es um den Untergang der LONDON EXPRESS NEWS oder gar des Abendlandes ginge!" Er atmete tief durch. Dann ging er an die Kaffeemaschine.
    "Vielleicht genehmige ich mir auch mal einen Becher von dem Gebräu!"
    "Aufgeregt hast du dich ja auch genug!"
    "Na ja..."
    "Wenn du mich fragst, brauchst du eher einen Beruhigungstee. Earl Grey, lang durchgezogen..." Jim
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher