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Die Geheimnisse der Patricia Vanhelsing

Die Geheimnisse der Patricia Vanhelsing

Titel: Die Geheimnisse der Patricia Vanhelsing
Autoren: Alfred Bekker
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das, was ich gesehen hatte, nichts weiter als ein Traum gewesen war.
    Ich trat zum Fenster, öffnete es und einen Augenblick später wehte der kühle Hauch der Nacht von draußen herein. Das brachte mich wieder etwas zur Besinnung.
    Ein Gesicht erschien vor meinem inneren Auge. Jenes Gesicht, das ich in meinem Traum immer wieder vor mir gesehen hatte.
    Ich konnte nicht genau sagen, was mich an diesem Gesicht so sehr geängstigt hatte. Dieses Gefühl namenloser Furcht war einfach da. Und war mit diesem Gesicht verbunden. Es handelte sich um das totenbleiche Antlitz einer Frau. Ihre Züge waren feingeschnitten und wirkten wie aus Elfenbein modelliert. Eine hübsche Frau, ohne Zweifel. Aber so...
    ...tot!
    Mir schauderte bei dem Gedanken an sie.
    Wie eine kalte, glitschige Hand kroch dieses Gefühl meinen Rücken empor. Gänsehaut überzog meine Unterarme. Hast du dieses Gesicht schon einmal gesehen?, ging es mir durch den Kopf. Ich zermarterte mir förmlich das Hirn über diese Frage. Nein, dachte ich. Aber ich war mir nicht hundertprozentig sicher.
    Dieses blasse Gesicht war die einzige Erinnerung, die mir aus meinem Alptraum geblieben war. Alles andere war nicht mehr als ein Konglomerat aus düsteren Farben, leckenden Schatten, Mondlicht und einem finsteren Gemäuer. Ein Detail war da allerdings noch...
    Der Strick!
    Wie eine Galgenschlinge hatte er um ihren Hals gelegen. Warum hat dich dieser Traum so aufgewühlt?, fragte ich mich. Ich sah keinen wirklichen Grund dafür. Und doch schlug mein Herz wie wild. Selbst jetzt, da der kühle Hauch dieser winddurchtosten Nacht eigentlich alle Traumgespenster hätte verscheuchen müssen.
    Ich brauchte nur die Augen zu schließen.
    Dann stand es wieder vor mir, dieses bleiche Gesicht einer elfenbeinhäutigen Frau, die mir wie ein Bote des Todes erschien.
    Schon im ersten Moment, nachdem ich erwacht war, hatte ich gewusst, dass es sich um einen jener Träume handelte, die meine leichte übersinnliche Gabe mir sandte. Eine Gabe, mit deren Hilfe ich schlaglichtartig in Träumen, Tagträumen und Ahnungen die Abgründe von Raum und Zeit überwinden konnte. Diese Frau wird in deinem Schicksal irgendwann in nächster Zeit eine Rolle zu spielen beginnen!, wurde es mir klar. Und ich wagte kaum daran zu denken, welche Bedeutung vielleicht hinter den Bildern verborgen lag, die mir im Traum vorgegaukelt worden waren.
     
    *
     
    Später setzte ich mich in einen der klobigen Sessel in meinem Schlafzimmer und schlief ein. Wie ein Stein. Es war der Schlaf der Erschöpfung. Am Morgen erwachte ich trotzdem früh. Eine innere Unruhe hatte mich geweckt. An weitere Träume konnte ich mich nicht erinnern.
    Nur an diesen einen...
    Ich zog mich an und fühlte mich seltsam benommen. Das Gesicht dieser Frau ging mir nicht aus dem Sinn. Aber sobald ich in der Redaktion der LONDON EXPRESS NEWS angekommen war, würde mich die Hektik und der Stress, die mein Job als Reporterin bei diesem großen Londoner Boulevardblatt mitbrachte, schon zu genüge ablenken.
    Ich ging die Treppe hinunter ins Erdgeschoss von Tante Lizzys Villa, in der ich die obere Etage bewohnte. Tante Lizzy hieß eigentlich Elizabeth Vanhelsing und war meine Großtante. Nachdem ich schon früh meine Eltern verlor, zog sie mich wie eine eigene Tochter auf.
    Seit dem Tod meiner Eltern wohnte ich hier, in dieser verwinkelten und etwas unheimlich wirkenden viktorianischen Villa, deren größter Teil von Tante Lizzys berühmtem Okkultismus-Archiv eingenommen wurde.
    Tante Lizzy war bereits auf den Beinen.
    Sie brauchte nicht viel Schlaf und es kam durchaus vor, dass sie ganze Nächte in der Bibliothek verbrachte und in alten, okkulten Schriften forschte.
    Ich traf sie in der Küche, wo sie den Tee auf ihre unverwechselbare Weise zubereitete. Das war ein Ritual, an dem nicht das Geringste geändert werden durfte.
    "Hallo, Patricia", begrüßte sie mich lächelnd. Dann zog sie die Augenbrauen empor. "Du siehst nicht gerade besonders frisch aus."
    "So fühle ich mich auch nicht."
    "Schlecht geschlafen?"
    Ich nickte.
    "Kann man wohl sagen."
    Ich nahm die volle Teekanne und ging damit zum Tisch, den Tante Lizzy bereits für das Frühstück gedeckt hatte. Wir setzten uns, und sie sandte mir einen sehr ernsten Blick zu.
    "Ein Traum?", fragte sie.
    "Ja", nickte ich.
    Mehr brauchte ich nicht zu sagen. Tante Lizzy wusste nur zu gut über meine Gabe Bescheid. Sie war es gewesen, die mich einst als erste darauf aufmerksam gemacht hatte.
    "Willst du mir
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