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Die geheime Welt der Frauen

Titel: Die geheime Welt der Frauen
Autoren: Ilana Stanger-Ross
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an der gelben Küchentheke lehnte. »Er ist doch wirklich sehr nett, finde ich.«
    Mürrisch gab Sima zu, dass sie nichts an ihm auszusetzen hatte. »Aber ich kenne ihn einfach nicht«, antwortete sie.
    »Warum lernst du ihn dann nicht kennen?«, fragte ihre Mutter und sah sie mit dem gleichen traurigen Blick an, den sie aufsetzte, wenn sie einkaufen gingen und Sima erneut um eine Größe zugelegt hatte. Diese hörte zu, während ihre Mutter sie daran erinnerte, dass es an der Zeit sei, erwachsen zu werden, dass ihre Freundin Connie einen festen Freund habe und sie selbst doch nicht sitzen bleiben wolle. »Du hast ja keine Ahnung, Sima, wie es ist, auf dieser Welt allein zu sein.«
    Eigentlich wollte Sima erwidern, dass sie das sehr gut wisse, nachdem ihre älteren Brüder immer vorgezogen worden waren - die wahren Lieblinge ihrer Mutter, wie sie sie Connie gegenüber nannte -, aber stattdessen nickte sie stumm und starrte auf den goldgefleckten Linoleumboden, der vor ihren Augen verschwamm.
    Das nächste Mal, als er mit Art und Connie zu Besuch kam, setzte sie sich neben Lev. Er erzählte ihr ein paar Witze, brachte sie zum Lächeln. Es gefiel ihr, wie er sie ansah und leise Komplimente über ihre Ohrringe machte - ach, die sind nichts Besonderes, sagte sie, bloß falsche Rubine, die sie gewonnen habe, als sie und Connie mit dreizehn auf einem Rummelplatz gewesen seien. Plötzlich wünschte sie sich, wieder dort zu sein, auf dem Riesenrad, die Freundin an der Hand haltend, wie sie kreischend und kichernd über den hell erleuchteten Buden durch
die schwarze Nacht sausten, den Geruch von butterigem Popcorn in der Nase. Als sie sich zu Connie umdrehte, um sie daran zu erinnern, sah sie, dass deren Arme um Arts Hals lagen und sie mit ihm flüsterte. Und während Sima noch in ihrem Innern die Drehung des Riesenrads spürte, das viel zu schnell in Richtung des dunklen Parkplatzpflasters hinunterschwang, hörte sie sich auf einmal sagen, ja, sie sei frei nächsten Samstagabend, ja, sie würde gern ins Kino mit ihm gehen.
    Er flüsterte ihr ins Ohr in dem dunklen Kino, sein Atem schlug warm an ihre Haut, und er brachte sie zum Lachen, sodass ein älteres Paar hinter ihnen »Pscht!« zischte. Begeistert, weil sie bei so schlechtem Benehmen mitmachte, lehnte Sima die Wange an seine Schulter und dachte, wie gut die dort reinpasste.
    Nach dem Kino begleitete er sie nach Hause, und sie hielten sich an der Hand, als sie durch die stillen Straßen schlenderten. Sie deuteten auf die Häuser, die ihnen am besten gefielen - eines mit einer breiten Veranda, ein anderes mit einem schmalen, efeubewachsenen Balkon -, und Sima dachte, dass es immer so sein könnte: sorglos in die Zukunft zu blicken, wie durch die Fenster anderer Leute, durch goldene Lichtquadrate in einer dunklen Nacht.

    Sima ging die 13. Avenue entlang, die Hauptgeschäftsstraße von Boro Park, um sich mit Connie zum Lunch zu treffen. Es war Freitagnachmittag, und die Gehsteige und Straßen waren voller Menschen, die sich vor dem Sabbat eindeckten, ein Chaos aus doppelreihig geparkten Autos, blockierten Hydranten und lautem Hupen.
    In dem Gewimmel auf dem Gehsteig neben einem Straßenverkäufer (der Schlüsselketten mit Psalmen und Bildern von Jerusalem anbot) musste Sima zur Seite treten, um eine Brigade
Kinderwagen vorbeizulassen. Fast alle der Frauen trugen klassische Kostüme (helle Bluse, schwarzer, übers Knie reichender Rock, hautfarbene Strümpfe, flache Absätze), sorgfältig aufgetragenes Make-up, ihre Perücken (braun oder rotbraun, seltener blond, aber alle perfekt glatt) umschlossen mit klaren Linien ihre Gesichter. Die Frauen schoben Kinderwagen: Ein-, Zweiund Dreisitzer. Die älteren Kinder trotteten hinterher oder liefen voraus (»Menachem, bleib an der Ecke stehen!«), oder wenn sie alt genug waren, schoben sie selbst einen.
    Als Sima am Lebensmittelgeschäft Netanya vorbeikam, machte sie halt, um die Besitzer zu begrüßen. Eddie trug Jeans, ein abgetragenes T-Shirt und eine gestrickte Kippa, ein magen davod, ein Davidsstern, hing an einer Kette um seinen Hals. »Was darf es sein?«, fragte er. Er erwähnte die Melonen, die Pomelos - direkt aus Israel. »Auf dem Heimweg«, versprach Sima und trat zur Seite, als Eddie sich hinunterbeugte, um einen dreijährigen Lockenkopf zu begrüßen, der sich ans Bein seiner Mutter klammerte.
    Eine Gruppe Studentinnen von der Yeshiva-Universität stand plaudernd an der Ecke, die Rucksäcke über Button-Down-Hemden
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