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Die geheime Welt der Frauen

Titel: Die geheime Welt der Frauen
Autoren: Ilana Stanger-Ross
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Fritten zu servieren.«

    Sima zögerte einen Moment, aber ihr Drang, der jungen Frau entgegenzukommen, gewann die Oberhand. »Willkommen an Bord«, sagte sie.
    Timna klatschte in die Hände wie ein Kind.

    Sima sah aus dem Wohnzimmerfenster, als Timna an ihrem ersten Arbeitstag zehn Minuten zu früh eintraf. Sie hatte kaum geschlafen vor Sorge - worüber würde sie reden, was würde sie sagen -, bis sie schließlich überzeugt war, dass Timna überhaupt nicht kommen würde, eine Überzeugung, die sie abwechselnd erleichterte und ärgerte.
    Aber da war sie.
    Sima beobachtete, wie Timna über den niedrigen Metallzaun griff, um den Riegel zu öffnen, auf den Weg trat, der mitten durch den spärlichen Rasen ihres Vorgartens führte, und sorgfältig das Tor wieder hinter sich schloss. Sima trommelte ans Fenster - das einzige, das renoviert und in fünf getönte Scheiben geteilt worden war - und bedeutete ihr, dass sie gleich unten wäre.
    »Ich habe Schlüssel für Sie«, erklärte Sima, während sie die Tür ihres roten Backsteinhauses abschloss. »Kommen Sie mit, damit Sie wissen, wie Sie damit umgehen müssen.«
    Timna beschattete ihre Augen vor der Sonne, als Sima die fünf Betonstufen zum Gehweg hinabstieg, und folgte ihr zu den drei Stufen, die zum Laden führten.
    »Es ist kein großartiges Sicherheitssystem«, erklärte Sima und deutete auf die alte Holztür und die schwarze Glocke, über der auf weißem Papier in blauer Schreibschrift »Simas Unterwäsche für Damen« stand, überklebt mit ein paar Lagen Tesafilm. »Aber bis jetzt gab’s, Gott sei Dank, keinerlei Schwierigkeiten, selbst wenn die Tür den halben Tag nicht verschlossen ist.« Sie berührte eine Glas-Mesusa, die am Türrahmen hing, legte
die Finger an die Lippen und drehte sich zu Timna um. »Man kann nicht vorsichtig genug sein, stimmt’s?«
    »Wahrscheinlich nicht.«
    »Die Wahrheit ist«, sagte Sima und senkte die Stimme, »normalerweise denke ich nie daran, dass die Mesusa dort hängt. Aber eine Menge meiner Kundinnen, vielleicht achtzig, neunzig Prozent, sind gläubig, also habe ich sie für sie aufgehängt. Seit meiner Jugend hat sich die Gegend ziemlich verändert.« Als sie sah, dass Timna den Blick senkte - sie trug heute Morgen Riemchensandalen, und der fuchsiafarbene Lack begann an einem Zehennagel abzublättern -, beeilte sie sich, ihre Aufmerksamkeit nicht zu verlieren. »Also gut«, fuhr sie fort und reichte Timna den Schlüssel, »versuchen Sie aufzusperren, damit wir wissen, ob es klappt.«
    Timna übte zwei Mal mit dem Schlüssel und schaffte es jedes Mal, die Tür zu öffnen.
    »Perfekt. Und wenn ich aus irgendeinem Grund nicht hier sein sollte, wenn Sie kommen, können Sie einfach nach oben rufen.« Sima deutete auf den rückwärtigen Teil des Ladens, wo in der Ecke neben der Umkleide eine mit grünem Teppich belegte Treppe ins obere Stockwerk führte. »Die führt in meine Küche, und da bin ich gewöhnlich auch immer.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Mein Mann auch.«
    »Wann lerne ich den denn kennen?«
    »Lev? Ach Gott, ich bemühe mich, ihn vom Laden fernzuhalten. Aber früher oder später wird er schon auftauchen. Er hat vor zwei Jahren das Unterrichten aufgegeben, also neigt er dazu, hier rumzuschleichen.«
    »Und der Rest Ihrer Familie?«, fragte Timna. »Helfen Ihre Kinder und Enkel hier manchmal aus?«
    »Kinder?«, erwiderte Sima, als wäre ihr die Idee noch nie gekommen. »Wir haben keine. Hören Sie, am ersten Tag wäre es
gut, wenn Sie mir einfach zusehen und lernen, wie alles funktioniert. Es ist auf Anhieb nicht leicht zu verstehen.« Sima deutete auf die Regale mit den Schachteln. »Aber solange Sie die Regel Nummer 1 befolgen …«
    »Der Kunde hat immer recht?«
    »Fast. Die Regel ist, der Kunde hat praktisch nie recht, aber wir bemühen uns, ihn das nicht spüren zu lassen. Nein, wirklich«, fuhr sie fort, als sie sah, dass Timna lächelte. »Ich muss verkaufen, was geht. Aber ich ertrag es nicht, jemanden mit einem schlecht sitzenden BH oder Slip gehen zu lassen. Ich schwöre, manchmal möchte ich auf der Straße zu einer Frau hingehen, sie schütteln und sagen: ›Was tragen Sie denn da, wissen Sie denn nicht, dass Ihre Brüste nicht auf dem Bauch liegen sollten?‹« Timna zog eine Augenbraue hoch, und Simna fuhr lächelnd fort: »Keine Angst - ich hab’s nie getan. Noch nicht.«
    Timna setzte sich an den Nähtisch, öffnete die Schublade und begann, die Garnspulen und Nadeln zu ordnen.
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