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Die geheime Reise der Mariposa

Die geheime Reise der Mariposa

Titel: Die geheime Reise der Mariposa
Autoren: Antonia Michaelis
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nicht weit gekommen. Das Fieber hatte seinen Geist schon verwirrt, als er losfuhr. Eine holländische Jacht hat die Mariposa auf ihrem Weg hierher aufgesammelt und ins Schlepptau genommen. Sie trieb ziellos auf dem Wasser. Der alte Juan war wohl schon tot, als sie ihn fanden. Die Holländer haben erzählt, sie hätten ihn auf See bestattet.« Er seufzte. »Du wirst hier wenige finden, die um Juan Casaflora trauern. Er war … eigen. Angeblich war er Forscher. Man hört, er wollte herausfinden, was für einen Einfluss der Flugplatz und die Menschen auf die Gewohnheiten der Tiere haben, die Leguane, die Vögel, die Schildkröten …«
    »Sie verlassen die Insel«, sagte José. »Um das herauszufinden, braucht man kein Forscher zu sein.«
    Sein Vater nickte. »Auf jeden Fall ist er jetzt tot. Ich nehme an, jemand wird das Schiff nach Isabela zurücksegeln. Dort gibt es mehr Leute, die eine Jacht gebrauchen können. Allerdings weiß ich nicht, wer ein Schiff kaufen will, auf dem jemand gestorben ist.« Er sah sich um. »Komm, es wird dämmrig. Gehen wir zurück.«
    José schüttelte den Kopf. »Lass mich noch ein Weilchen hierbleiben und nachdenken«, bat er. »Ich finde schon zurück.«
    »Ja«, sagte sein Vater ernst, »du findest schon zurück.«
    Später, viel später, würde José oft an diese Worte denken.
    Es war fast dunkel, als der Amerikaner zum Hafen hinunterkam, einer von denen, die heute mit Josés Vater und seinen Brüdern am Tisch gesessen hatten. José erkannte ihn an seinem Gang, er war jung, groß und schlaksig, beinahe selbst noch ein Junge. Aber er war alt genug, um zu fliegen.
    »Hey«, sagte der Amerikaner.
    »Hey«, sagte José.
    »Ben«, sagte der Amerikaner. »Ben Miller.«
    »José«, sagte José. Es war gut, sich vorzustellen. Es machte ihr Gespräch zu einem Gespräch unter Männern. Vielleicht konnte er mit Ben reden. Vielleicht würde Ben ihn verstehen. »Übrigens bin ich siebzehn«, sagte er aus dem Blauen heraus. »Nur, falls mein Vater herumerzählt hat, ich wäre jünger. Er lügt gewöhnlich, weil er Angst um mich hat.«
    »Siebzehn?« Ben lachte. »Und ich bin die Königin von England.«
    »Im Ernst«, beteuerte José. »Ich werde achtzehn.«
    »Alle Menschen werden einmal achtzehn«, sagte Ben und steckte sich eine Zigarette an. »Fragt sich nur, wie viele Jahre bis dahin vergehen. Zigarette?«
    José nahm die Zigarette, ohne zu zögern. Falls das ein Test war, dachte er, war er leicht. Er hatte oft mit seinen älteren Brüdern hinter dem Stall geraucht, heimlich, zu Hause. Eine Weile blinkte nur die Glut der Zigaretten ab und zu in der Dämmerung auf wie winzige Signalfeuer.
    »Haben Sie von der Isla Maldita gehört?«, fragte José schließlich. »Der verfluchten Insel?«
    Ben nickte. »Die verfluchte Insel«, wiederholte er. »Wie ihr eure Flüche und eure Gerüchte liebt, hier auf Galapagos, in eurem Paradies!«
    »Wir brauchen sie«, antwortete José ernst. »Wir sind gefangen in unserem Paradies. Das Meer ist eine blaue Mauer, die uns einschließt. Und dieses Paradies ist eine grüne Hölle. Eine Hölle, die alles verschlingt und überwuchert, was einen Moment unbewacht bleibt. Jede verdammte Maispflanze. Wir arbeiten hart in unserem Paradies.«
    »Weise Worte«, sagte Ben.
    José erwähnte nicht, dass es die Worte seines Vaters waren.
    »Interessant, dass du von der Isla Maldita sprichst«, fuhr Ben fort. »Gerade heute haben wir über sie gesprochen. Sie ist nicht bewohnt, nicht wahr? Die Männer von einem der Patrouillenboote schwören, sie hätten Rauch von der Insel aufsteigen sehen.«
    »Jaja«, sagte José und verbiss sich ein Grinsen. »Dort gehen irgendwelche alten Piratengeister um.«
    »Vielleicht gehen auch ein paar Leute um, die sich zu sehr für unsere Pläne auf den Inseln interessieren.«
    José trat seine Zigarette ebenfalls aus. »Deutsche«, sagte er.
    Eine Weile schwiegen sie. Irgendwo zirpten Zikaden. Der Wind spielte in der Takelage der Schiffe im Hafen. Jetzt wird er gehen, dachte José, und ich habe nichts über das Fliegen gesagt und die Gelegenheit ist beinahe vorüber. Aber was konnte er sagen? Wie konnte er Ben erklären, dass er fliegen musste? Dass es das Wichtigste auf der Welt war? Dass der Himmel dort oben ihn rief, selbst dieser nächtliche Himmel? Er holte tief Luft.
    »Geben Sie mir eine Chance«, sagte er. »Was muss ich tun, damit Sie mich mit in die Luft nehmen?«
    Ben lachte leise. Er nahm ihn also doch nicht ernst. »Wie wäre es, wenn
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