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Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte
Autoren: Rainer Maria Rilke
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langerharrte
Flugstern, der die Weisen narrte,
streifen würde diesen Ort.

    Und er fragt den Astrologen,
der am hohen Himmelsbogen
alle Wandelwege weiß:
»Wird von Unglück der betrogen,
den der Stern hineingezogen
in den unheilvollen Kreis?«

    Und der Alte weicht ihm leise
aus: »Der Stern zieht seine Gleise,
Herr, im fernen Ätherreich!«
Und gen Süden sieht der Weise; –
und der Kaiser schaut die Kreise
seines Globen, ernst und bleich. –

    Und von Süden kommt Verderben,
kommt Matthias. – Eilge Erben
lassen ihm nur den Hradschin;
und der Kaiser spricht im herben
Spott: »Mir bleibt nichts, als zu sterben,
denn schon bin ich tot für ›ihn‹.

    Alter! Laß den Blick uns heben!
du hast recht, die Sterne schweben
hoch ob allem Erdenbann;
aber – die nach ihnen streben,
knüpfen selbst ihr dunkles Leben
an die lichten Lose an!«

AUS DEM DREISSIG JÄHRIGEN KRIEGE
Kohlenskizzen in Callots Manier

    1. KRIEG

    Finster ist die Welt geworden, –
darum Dörfer rasch entloht!
und die Welt ist grau; – drum rot
färbt sie durch das Morden!

    Bauer! Bittest um dein Leben?
Nimm dirs! Aber bei uns bleib!
Herrgott hat dir Ochs und Weib
nur für uns gegeben.

    Laß den Teufel Felder pflügen;
sieh, wir haben stets genung!
Vorwärts – einen Werbetrunk
aus den vollen Krügen!

    2. ALEA JACTA EST

    »… Tod oder Sold!«
Und jetzt die Trommel schnell
her. Auf das Trommelfell
Würfel gerollt.

    So wird dem Lohn,
der unsre Streiche sucht.
Sieh, der Baum, reiche Frucht
trägt er doch schon!

    Solltest schon längst
hängen dran, Kamerad!
Drum ists nicht jammerschad,
wenn du dann hängst!

    3. KRIEGSKNECHTS-SANG

    Lag auf einer Trommel nackt,
kaum zwei Spannen lang,
und der rauhe Trommeltakt
war mein Wiegensang.

    Wild zu wettern taugte ich
damals schon im Zorn,
meine Milch, die saugte ich
aus dem Pulverhorn.

    Damals taufte jeden gut
der Korp’ral; beim Schopf
nahm er ihn, goß Schwedenblut
heiß ihm übern Kopf.

    4. KRIEGSKNECHTS-RANG

    Bei uns gibts nicht Edelinge,
die was gelten durch ihr Blut,
jedes Rang ist jedes Klinge,
und sein Wappen ist der Mut.

    Wer nur immer kühn sein Schwert zog,
hält den Schild von Schande rein,
wer noch gestern unterm Heer zog,
Herzog kann er morgen sein.

    5. BEIM KLOSTER

    Was gibts? – Eine Klosterpforte? –
Ei, Potz Blitz!
Eine Tür von dieser Sorte
renn ich ohne viele Worte
    ein mit meiner Nasenspitz!

    Auf das Tor ein fester Stempel …
Pfaffe, komm!
Jetzt heraus mit deinem Krempel,
paar Monstranzen zum Exempel
    und paar Kelche: wir sind fromm.

    Laß jetzt dein: Peccavi, pater …
Leucht zum Wein
uns mit deiner Nase, Frater,
dorten kannst du uns ein Rater
    und ein ›Seelensorger‹ sein!

    6. BALLADE

    Gestern zogen wilde Horden
durch das Dörfchen hin mit Morden
und ein Mädchen sinnt jetzt still:
Ist der Liebste untreu worden,
weil er heut nicht kommen will? –
Draußen schrien die Dohlen.

    Mädchen ging mit bleicher Wange
durch das Haus. – Sie harrte lange,
und des Nachts floh sie der Schlaf.
Und sie schlich hinaus zum Hange,
wo sie stets den Teuren traf.
Ängstlich schrien die Dohlen.

    Und die Nacht war schwarz, die schwüle,
fern nur brannte eine Mühle …
Weinend wählt die matte Maid
sich gar weiches Kraut zum Pfühle
und entschlief in lauter Leid.
Schrieen noch die Dohlen?

    Spät erwacht sie. Nebel grauten
rings – soweit die Augen schauten …
Weh! – Was sie ein Kraut geglaubt,
ist das Haar an ihres Trauten
blutigem, zerschelltem Haupt. –
Schrecklich schrien die Dohlen.

    7. DER FENSTERSTURZ

    »Naht Verrat mit leisem Schritte,
ungerächt, bei der Madonna,
bleibt er nicht! Nach alter Sitte
zu den Fenstern!« schrie Colonna.

    »Schont den Popel! doch die andern,
jeder eine feige Natter,
aus den Fenstern laßt sie wandern!
Mitleid? – Werft ihn mit, den Platter!«

    Bange hangt am Fensterstocke
Martinitz noch. – Da Geröchel:
Turn schwingt seine Degenglocke
und zerschmettert ihm die Knöchel.

    Und zum nächsten: »Sag, wie heißt er,
Böhmens Herr? du sollst mirs deuten!«
»Graf von Turn!« – »Der Bürgermeister
lasse alle Glocken läuten!« –

    8. GOLD

    »Dein Wams, Geliebter, ist voll Gold.
Wo hast das Gold du her?« –
»Da schaust du, Kind, das ist mein Sold,
kein Obrist hat wohl mehr!«

    »Nein, das ist gutes, rotes Gold,
das kann dein Sold nicht sein!« –
»Beim Spielen war das Glück mir hold,
und da ward alles mein!«

    »Ist wirklich alles dein – das Gold,
gesteh, – und ists kein Trug?« –
»Nun, Würfel haben wir gerollt,
und
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