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Die Geburt Europas im Mittelalter

Die Geburt Europas im Mittelalter

Titel: Die Geburt Europas im Mittelalter
Autoren: C.H.Beck
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auf, zunächst die Einteilung der Woche. Unter Bezugnahme auf die biblische Schöpfungsgeschichte wird der Sieben-Tage-Rhythmus eingeführt, sechs Arbeitstage und ein Ruhetag. Die Einhaltung der Sonntagsruhe wird bald für alle Christen zur Pflicht erhoben, so dass Karl der Große das Einverständnis der Kirche braucht, um den Bauern Ausnahmen zu gestatten, weil sie bei Feldarbeiten, insbesondere den Ernten, das schöne Wetter nicht verstreichen lassen dürfen. Bis vor nicht allzu langer Zeit war die Einteilung der menschlichen Aktivitäten nach dem Wochentakt in der europäischen Welt sicher der beste Rhythmus für den Wechsel von Arbeit und Ruhe.
    Andererseits hat das Christentum zu einer tief greifenden Erneuerung des Kalenders geführt. Der Geschichte wurde mit der christlichen Ära ein neuer Ausgangspunkt gesetzt, den der Mönch Dionysius Exiguus 532 auf die Geburt Christi datierte. Dabei ist ihm übrigens ein Fehler unterlaufen, und wahrscheinlich entspricht der wahre Beginn der christlichen Zeitrechnung dem Jahr 4 v. Chr. Wie dem auch sei, die Kirche setzte lange kein einheitliches Datum für den Jahresanfang fest, der in der ganzen Christenheit Gültigkeit gehabt hätte. Am häufigsten wurden drei Daten oder Stile gewählt: der 25. Dezember oder Inkarnationsstil, der 25. März oder Anunziationsstil und als dritte Möglichkeit der Oster- oder Pachalstil, der von einem beweglichen Feiertag ausging. Daher betraf die Notwendigkeit komplizierter und präziser Berechnungen, um anhand der Mondbewegungen jedes Jahr den Tag des Osterfestes zu bestimmen, die ganze Christenheit. Mit Ausnahme dieses Bezugs auf den Mond ist der christliche Kalender ein Sonnenkalender. Ihm ist es zu verdanken, dass sich überall in Westeuropa – nicht so im orthodoxen Osten – zweigroße neue Feste als die wichtigsten Jahresfeste etablierten: die Geburt Christi, Weihnachten, im 4. Jahrhundert auf den 25. Dezember festgelegt, und das bewegliche Osterfest als Jahrestag der Auferstehung Christi. Abgesehen von den großen Christus- und Marienfesten wurden die Tage des Jahres nach den Heiligen benannt, wobei ihr Fest auf den Jahrestag ihres Todes fiel.
    Die Umgestaltung der Zeitmessung hielt auch in den Alltagsgebrauch Einzug. Im 7. Jahrhundert erlebte das Abendland eine Neuerung, die von großer Tragweite war: die Einführung von Glocken sowie den Bau von Kirchtürmen oder Kampanilen. Die Bestimmung der Stunden blieb ungewiss, den Mönchen überlassen, aber man hörte das Geläut überall in der Stadt und auf dem Lande. Das tönende Maß der Zeit und seine schallende Verbreitung waren eine unschätzbare Innovation.
Die Umgestaltung des Raums
    Äußerst bedeutungsvoll war auch die Umgestaltung des Raums durch das Christentum, und wie bei der Zeitmessung erfassten die Veränderungen den gesamten Raum des westlichen Europa. Das prägende Merkmal dieser neuen Organisation bestand in der Einteilung in Diözesen, auch wenn deren Gebiet erst langsam genauer abgesteckt wurden. Darüber hinaus entstanden Netze, die bestimmte Punkte oder Regionen miteinander verbanden. Der Reliquienkult förderte das Ansehen solcher Orte, die berühmte Reliquien beherbergten, so etwa Tours, wo die Gebeine des hl. Martin lagen, besonders aber Rom mit den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus. Des Weiteren brachte die Reliquienverehrung Pilgerfahrten hervor, bei denen die verschiedenen Bevölkerungsgruppen des Abendlands untereinander Kontakt aufnahmen, die aber vor allem in Etappen organisiert waren und ein regelrechtes Netzwerk bildeten. Beziehungen entstanden auch zwischen den Mönchsorden. Im 7. Jahrhundert beispielsweise gründete der Abt von Saint-Aignan d’Orléans das Kloster Fleury-sur-Loire, das eine der beliebtesten Wallfahrtsstätten wurde, nachdem die infolge der Langobardeninvasion auf dem Monte Cassino in Süditalien verbliebenen Gebeine des hl. Benedikt zurückgeholt wordenwaren. Im späteren Mittelalter sollte dieses Netzwerk noch größere Bedeutung gewinnen.
Zwei abstoßende Pole: Byzanz und der Islam. Die Entscheidung für die Bilder
    Kommen wir nun auf zwei negative Ereignisse zurück, die bei der Entwicklung Europas zwischen dem 7. und dem 14. Jahrhundert eine wesentliche Rolle gespielt haben. Die Ausbildung oder jedenfalls Konsolidierung einer religiösen oder nationalen Identität erfolgt auch innerhalb eines Konflikts, eines Gegensatzes. Der Andere, erst recht der Widersacher oder Feind, stiftet die Identität.
    Im Fall der
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