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Die Gartenparty

Die Gartenparty

Titel: Die Gartenparty
Autoren: Ellery Queen
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solltest du Jack bitten, daß er dir etwas dagegen verschreibt.«
    »Ja, vielleicht. Fitzgerald hatte eine Art Leitspruch, weißt du. Das Schlimmste im Leben ist, wenn man die Fähigkeit verliert, intensiv zu empfinden. Entartung nannte er es. Entartung der Lebenskraft. Horch doch mal einen Augenblick, Nancy. Was hörst du?«
    Nancy lauschte. Doch in ihrem Kopf wirbelte es, und alles, was sie hörte, war ein angenehmes Klingen im Ohr – größtenteils Musik, die aus Jacks Hi-Fi-Anlage im Haus auf die Terrasse herausdrang.
    »Nicht viel«, sagte sie.
    »Siehst du, das meine ich. Um uns herum gibt es unzählige Geräusche, aber wir vernehmen sie nicht. Kannst du dich noch erinnern, was du als Kind in einer Nacht wie dieser empfunden hast? Ich zum Beispiel saß immer da und lauschte auf jedes Geräusch für sich. Es war ein intensiv trauriges, fast quälendes Gefühl – eine Art bitterer, herrlicher Ekstase. Doch nun ist das alles vorbei. Ich erinnere mich daran, aber ich höre und empfinde es nicht mehr.«
    »Du mußt dir nur Mühe geben, Larry. Dann kommt es wieder.«
    »Nein, es kommt nicht wieder. Niemals.«
    Larry war so merkwürdig, daß Nancy unruhig wurde. Gleichzeitig verspürte sie den Wunsch, seinen Struwwelkopf an ihre Brust zu ziehen. Sie unterdrückte ihn jedoch. Er entsprang hauptsächlich der Wirkung des Alkohols, sagte sie sich, und konnte leicht zu einem Gefühl überleiten, das gefährlich mehr war als mütterliche Zärtlichkeit. Sie wartete, daß Larry weitersprach.
    »Weißt du eigentlich, wie ich Lila kennengelernt habe?« fragte er. »Hat Lila dir das mal erzählt?«
    »Nein.«
    »Na, ist ja auch egal. Sie hätte dir auch nur Lügen aufgetischt.«
    »Larry, so etwas darfst du nicht sagen! Du bist betrunken, sonst hättest du das nicht gesagt.«
    »In vino veritas, oder wie immer Bier auf Latein heißt«, sagte Larry mit bitterem Lachen. »Lila ist die geschickteste Lügnerin der Welt. Wußtest du das nicht, Nancy? Ich hab’ eine ganze Zeit gebraucht, bis ich dahinterkam, und mehr noch, ihre Lügerei ist schon psychopathisch. Stets zieht sie die Lüge der Wahrheit vor. Sie hat kein Gewissen, kann nicht unterscheiden zwischen Recht und Unrecht. Sie ist nicht richtig im Kopf, Nancy, und dafür gibt es kein Heilmittel, es sei denn, man erlöste sie von ihrem Leiden, wie man einen tollen Hund erlöst, den man einfach abknallt.«
    Wenn Larry Connor einen betrunkenen Eindruck gemacht hätte, wäre Nancy einfach von der Bank aufgesprungen und weggegangen. Doch er klang nicht betrunken. Er klang stocknüchtern, ja sogar kühl und überlegt, als denke er laut über ein schwieriges Problem nach.
    »Larry, bitte sag nichts, das dir hinterher leid tut«, bat Nancy. »Da sind Lila und Jack. Komm, wir gehen hinüber.«
    »Augenblick, Nancy. Ich wollte dir doch erzählen, wie ich Lila kennengelernt habe. Das war in Kansas City. Ich arbeitete dort mit zwei älteren Wirtschaftsprüfern in einem Büro, und alles lief großartig. Es gab sogar ein Mädchen, das ich heiraten wollte. Und dann ging ich eines Abends zu einer Cocktailparty, und dort traf ich Lila. Sie saß ganz allein mit einem Martini in der Hand in einer Ecke. Ich ging hin und unterhielt mich mit ihr. Gemeinsam verließen wir die Party und aßen zu Abend, und hinterher gingen wir in ihre Wohnung. Sie fing an, von sich zu erzählen. Sie war gerade geschieden, wie sie sagte, und zwar von einem Sadisten, der sich gefreut hatte, wenn sie litt. Ich wurde wütend und ritterlich und entwickelte einen prächtigen Haß auf den armen Teufel.
    Nichts davon war wahr. Ich traf ihn, als Lila und ich etwa ein Jahr verheiratet waren, und da stellte es sich heraus, daß er der netteste Kerl war, den man sich denken kann. Außerdem war er gar nicht ihr erster Mann gewesen, wie sie behauptete, sondern ihr dritter. Ich bin der vierte, und sie ist erst sechsundzwanzig. Mit sechzehn hatte sie angefangen; ziemlich früh. Von Ehemann Nummer eins und drei hatte sie sich scheiden lassen, Nummer Zwei beging Selbstmord.«
    »Larry, du mußt aufhören damit. Ich will nichts mehr hören.«
    »Glaubst du mir nicht?«
    »Ich will dir einfach nicht mehr zuhören.«
    »Bitte, Nancy! Du bist die einzige hier, aus der ich mir etwas mache. Ich möchte, daß du alles verstehst, was vielleicht später noch geschieht.«
    »Bitte, sprich nicht so, Larry. Du machst mir angst.«
    »Nein, nein, erschrecken will ich dich nicht. Für mich ist es eine Art Therapie, mit dir zu sprechen, Nancy.
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