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Die galante Entführung

Die galante Entführung

Titel: Die galante Entführung
Autoren: Georgette Heyer
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hoffen, daß ich Ihnen nicht gleichgültig bin!« fuhr er hartnäckig fort.
    »Also, jetzt stehen Sie schon endlich auf!« antwortete die Dame unromantisch und entriß ihm ihre Hände.
    Er gehorchte, sah dabei auffallend dumm und fassungslos drein und stammelte: »Wie kommt das? Sie können doch unmöglich mit mir herumgespielt haben! Ich kann einfach nicht glauben, daß Sie so herzlos sein könnten!«
    »Aber nein, wirklich?« erwiderte sie, stand auf und schüttelte den Rock aus. »Also jetzt hören Sie mir einmal zu, Sie Mr. Bauernfänger Calverleigh! Es steht Ihnen nicht zu, von Herz zu reden, und es nützt Ihnen keinen Pfifferling, mir von Ihrem Geschwätz noch mehr zu verpassen, weil ich nämlich den ganzen Schwindel selber in- und auswendig kenne! Wir hatten einen angenehmen Flirt, und wenn Sie sich eingestehen, daß Sie mit Ihrem eigenen Spiel geschlagen wurden und abfahren, wäre das das Beste, was Sie tun können! Sonst könnten Sie einige Dinge zu hören bekommen, die Ihnen nicht schmecken würden. Ein Schulmädchen ›bemerken‹! Einer Erbin einen Schurkenstreich spielen, das war’s, was Sie getan haben, und nicht zum erstenmal, könnte ich wetten! Na, ich will ja nichts sagen, das nicht damenhaft wäre, aber«, schloß sie, dieses lobenswerte Zögern überwindend, »Sie sind einer, der für Moneten auch ein Monster heiraten würde, und das ist die reine Wahrheit!«
    Stacy war weiß vor Entsetzen und Wut geworden. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloß ihn jedoch, denn es gab nichts, das er hätte sagen können. Er drehte sich um und ging hinaus.
    Stacy Calverleigh war ja nicht empfindsam veranlagt und konnte eine Abfuhr mit einem Achselzucken abtun; er hatte es vermocht, der scharfen Kritik des Mr. James Wendover gleichgültig zu lauschen. Die Verachtung des Mr. Wendover war jedoch mit eisigem Anstand vorgebracht worden. Niemand hatte seinen Charakter je mit der ordinären Grobheit zerfetzt, wie sie Mrs. Clapham zu gebrauchen beliebte, und es dauerte einige Zeit, bis er sich von seiner Wut auch nur halbwegs erholen konnte. Nicht die Wahrheit dessen, was sie gesagt hatte, rief diese wilde Wut hervor: es war die unglaubliche Frechheit, ihn – einen Calverleigh – mit solchen Ausdrücken zu belegen.
    Als sich seine Wut gelegt hatte, folgte ihr Angst, eine tödlichere Angst, als er sie je erlebt hatte, denn sie war nicht einmal von einem Schimmer Optimismus begleitet. Es blieb ihm kein Weg mehr offen, seine Gläubiger abzuwehren; er würde gezwungen sein, seine wenigen Schmuckstücke zu versetzen, damit er seine Rechnung im Weißen Hirschen begleichen und sich einen Platz in der Postkutsche nach London kaufen konnte. Er überlegte, von wem er einhundert oder auch nur fünfzig Pfund leihen konnte, aber es gab niemanden, und schon gar niemanden in Bath.
    Er spielte eben mit dem wilden Gedanken, sein Gepäck im Stich zu lassen und unter Hintanlassung seiner unbezahlten Rechnung aus dem Weißen Hirschen zu fliehen, als er in seinen Überlegungen durch den Eintritt eines Kellners unterbrochen wurde. Dieser übergab ihm einen Brief, der, wie er sagte, von einem Diener des York House Hotels gebracht worden sei.
    Stacy erkannte das nachlässige Gekritzel nicht, als er aber das einzelne Blatt, das der Umschlag enthielt, entfaltete, entdeckte er, daß es von seinem Onkel stammte, der ihn kurz angebunden für diesen Abend zum Essen im York House einlud.
    Sein erster Impuls war, eine Ablehnung zurückzuschicken. Dann fiel ihm ein, daß er vielleicht imstande sein könnte, Miles dazu zu bringen, ihm etwas Geld zu leihen, auch wenn es nur fünfundzwanzig Pfund wären. Miles mußte die Taschen ganz schön gefüllt haben, dachte Stacy, denn obwohl nichts an ihm war, das auf Wohlhabenheit hingewiesen hätte, stieg er wieder im teuersten Hotel von Bath ab. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn er seine Rechnung nicht bezahlt hätte, als er so plötzlich nach London fuhr. Stacy befahl also dem Kellner, einen Augenblick zu warten, während er den Brief seines Onkels beantwortete. Er war beträchtlich gereizt, als er hörte, daß der Bote schon weg war, da man ihm gesagt hatte, eine Antwort werde nicht erwartet. Gepaart mit der knappen Formulierung der Einladung, die durchaus mit einem Befehl verwechselt werden konnte, kam das einer Beleidigung gleich und machte Stacy zornig. Er entschied jedoch, es zu übersehen – die Manieren seines Onkels waren beklagenswert sachlich, und wahrscheinlich lag es gar nicht in
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