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Die Gabe des Commissario Ricciardi

Die Gabe des Commissario Ricciardi

Titel: Die Gabe des Commissario Ricciardi
Autoren: Maurizio de Giovanni
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Lucias Entscheidung war, zu teilen. Schluss mit dem Schmerz und all dem Leid.
    Mit etwas Mühe kehrten sowohl Ricciardi als auch Maione in Gedanken zurück zu ihrem aktuellen Fall: Die Leichen der Garofalos und das Schicksal ihrer Tochter verdienten höchste Aufmerksamkeit, auch weil die bevorstehenden Weihnachtsfeierlichkeiten die Ermittlungen genau wie alle sonstigen Arbeiten mehrere Tage lang zum Erliegen bringen würden.
    Ziemlich betrübt liefen sie eine Weile umher, auf der Suche nach bekannten Gesichtern. Nachdem sie fast eine Viertelstunde damit verbracht hatten, sich einen Weg durch den Menschenstrom zu bahnen, sah Maione Lomunno, der von einem Pferdekarren Kisten mit Fisch ablud und sie zum Stand eines
Fischverkäufers auf dem Bürgersteig trug. Sein Gesicht war rot vor Schweiß und Anstrengung, sein Blick konzentriert; er war sehr darauf bedacht, nichts fallen zu lassen. Seine steifen Bewegungen verrieten, dass er diese Art von Arbeit nicht gewohnt war.
    Der Brigadiere stieß den Kommissar mit dem Ellenbogen an, um ihn auf den Mann aufmerksam zu machen. Gerade als sie auf ihn zugingen, sahen sie einen Trupp der Miliz die Straße überqueren. Die Soldaten waren da, um sicherzustellen, dass auf dem Markt alles ordnungsgemäß vonstattenging. Bei ihrem Vorbeimarsch strebte die Menschenmenge auseinander, als ob man nicht mit ihnen in Berührung kommen wollte.
    Ricciardi erkannte Criscuolo, den Manipelführer mit dem hüpfenden Schnurrbart, der ihm die Geschichte um Garofalos Beförderung erzählt hatte. Criscuolo sah sich vorsichtig um, als suche er jemanden.
    Der Kommissar hielt Maione am Arm fest: Er wollte die Situation ungesehen beobachten. Daher zog er den Brigadiere beiseite, wodurch er sich und ihn dem Strom der Fußgänger entzog, und näherte sich einem Tintenfischverkäufer, der gerade ein riesiges Tier in der Hand wog und dessen Lebenskraft pries.
    Ein paar Meter weiter blieb Criscuolo in der Nähe des von Lomunno eingedeckten Standes stehen, während Letzterer sich gerade beim Karren befand. Als der Fischverkäufer den Offizier erkannte, nahm er ehrfürchtig seine Mütze ab und verneigte sich. Criscuolo erwiderte den Gruß schroff mit einem Kopfnicken, das seinen Schnurrbart vibrieren ließ. Zwischen den beiden Männern fand ein Blickwechsel statt: Criscuolo sah den Verkäufer fragend an, woraufhin dieser stumm bejahte
und dabei verschmitzt in Lomunnos Richtung deutete, der im selben Moment auftauchte.
    Die Blicke Criscuolos und seines ehemaligen Kollegen kreuzten sich. Lomunno errötete sichtlich: Er schämte sich, von seinen ehemaligen Untergebenen in der Funktion eines einfachen Handlangers gesehen zu werden, wusste aber auch, dass er seinem Freund dankbar sein musste, ihm die Arbeit vermittelt zu haben. Nachdem Criscuolo sich des erfolgreichen Ausgangs seiner Empfehlung vergewissert hatte, wollte er Lomunno die Demütigung ersparen, von den anderen Milizmitgliedern erkannt zu werden, und befahl seiner Gruppe eine rasche Kehrtwendung.
    Ricciardi und Maione wechselten einen Blick miteinander; sie hatten die Dynamik der Beziehungen zwischen Lomunno und seinen ehemaligen Arbeitskollegen verstanden: Das Leben hatte es anders gewollt, aber bestimmte Freundschaften waren intakt geblieben. Selbst wenn die Kollegen glaubten, Lomunno habe Garofalo getötet, so waren sie doch der Ansicht, dass er ausreichend dafür bezahlt hatte.
    Die beiden Polizisten gliederten sich wieder in den Menschenfluss ein und ließen sich auf der Suche nach den übrigen Schlüsselfiguren ihrer Ermittlungen treiben. Diese machten sie bereits zehn Meter weiter aus. Alle waren da: die beiden Boccias, die drei Bootskameraden, ein paar Frauen aus der Verwandtschaft und sogar der kleine Alfonso. Er war dafür zuständig, die Ware mit Wasser aus einem Eimer zu benetzen, und erfüllte seine Aufgabe sehr gewissenhaft.
    Die Leute gaben sich Mühe, arbeiteten sorgfältig und professionell. Ihre Mienen, so schien es Ricciardi, verrieten die Sorge, es könne ihnen nicht gelingen, den gesamten Fisch ihrer
Auslage zu verkaufen. Sie riefen die Passanten laut herbei, versuchten herauszufinden, was diese ausgeben wollten, und zeigten sich bezüglich der Preise verhandlungsbereit.
    Der Kommissar beobachtete sie und auch Lomunno, der ein paar Stände weiter unermüdlich Kisten mit Fisch auf- und ablud. Der Lärm, den die Rufe der Verkäufer und die feilschenden Kunden erzeugten, war ohrenbetäubend, ja fast nicht mehr auszuhalten. Ganz in der
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