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Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Martina Kempff
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den nubischen Sklaven nach seinem Niederschlag mit einer Ohrfeige aus seiner Benommenheit erweckt, schnell ein paar Stoffbahnen über ihre vor Schreck ohnmächtig gewordene Tante geworfen, um sie vor den Angreifern zu verbergen, und sich mit einer Schere gegen einen der Männer verteidigt, der ihren Vater später aus dem Haus zerrte. Außer ihr hatte offenbar nur der so unvermittelt aufgetauchte Fernhändler den Kopf behalten und mit den Leibwächtern des Kalifen die Männer überwältigt, die sie zunächst für Räuber gehalten hatte. Erfreut hatte sie Isaak begrüßt und ihn um Hilfe gebeten, doch da war auch er auf der Treppe zusammengebrochen.
    Hatte sie bislang geglaubt, ihr Vater wäre einst aus freien Stücken nach Bagdad gezogen, um am Aufbau der kreisrunden Stadt mitzuwirken, begriff sie aus den Andeutungen ihrer Tante und Isaaks, dass er offensichtlich in ein schweres Verbrechen verwickelt gewesen war. Das den Tod seines Lehrers, des berühmten griechischen Baumeisters Markarios herbeigeführt hatte. Ihr Schweigen schützte sie nun davor, Iosefos Fragen zu stellen, deren Antworten es ihr möglicherweise erschweren könnten, den Vater so zu ehren, wie es der Koran vorschrieb.
    Nach einem kurzen Marsch durch den Wald, der nur kläglichen Ertrag an wildem Gemüse brachte, bedeutete Isaak seiner Begleitung, ihm einen steilen, baumbestandenen Abhang hinunterzufolgen.
    »Wenn es dort einen Wasserlauf gibt, finden wir an dessen Rändern mehr Essbares. Und da können wir uns und die Tiere morgen auch laben, ehe wir weiterreiten.«
    Ezra blickte ratlos an ihrem langen Gewand hinunter, das für Abstiege in fränkischen Wäldern nicht gerade geeignet war. Sie zog den Marderpelz, den ihr Isaak geschenkt hatte, fester um die Schultern. Vielleicht sollte sie sich in Aachen auch solche Beinkleider zulegen, wie ihr Vater sie jetzt trug. Sie lugte zu Isaak hinab, der sich durch seinen schweren schwarzen Rock nicht behindert zu fühlen schien, und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, ängstlich bedacht, auf dem verfaulenden Laub des Vorjahres nicht in die Tiefe zu rutschen. Isaak empfahl dem Knabenmädchen, wie er das Kind für sich jetzt nannte, die Füße fest in die Baumwurzeln zu setzen. Fast hatten sie den schwarz glänzenden Tümpel unterhalb erreicht, als ein lauter Schrei die Stille des Waldes zerriss.
    Ezra glitt aus.
    »Dunja!«, brachte sie heiser hervor und starrte entgeistert nach oben.
    Männer schrien und Pferde wieherten. Durch helles Klirren und dumpfe undefinierbare Geräusche zog sich das gedehnte Jammern der Maultiere. Ezra rappelte sich auf, um eilig zum Lager emporzuklimmen, doch Isaak griff rasch nach oben und packte sie fest am Fuß. Das Mädchen wehrte sich, suchte Halt an einem Busch und stöhnte, als die Dornen des Brombeerstrauchs die Haut ihrer Hände und nackten Beine aufrissen.
    »Still!«, keuchte der Jude. »Rühr dich nicht, Ezra. Das ist ein Überfall. Auf unser Lager. Wir können niemandem helfen, nur beten, dass sie uns nicht auch noch entdecken. Wir hätten kein Feuer machen dürfen!«
    An den Abhang gedrückt, verbarg Ezra das Gesicht in beiden Händen, suchte in stillem Gebet Zuflucht bei Allah, dem Gnädigen, dem Barmherzigen, der die sieben Himmel im Einklang erschaffen hat. Sie bat den Propheten Mohammed um Fürsprache und setzte die ihr zur zweiten Natur gewordene Entschuldigung für das eigene Sein hinzu.
    Nach einer kleinen Ewigkeit wurde es wieder still. Der Erdboden erbebte unter Hufschlägen. In Ezras Ohren klang es, als galoppierte der Tod davon. Isaak nahm das zitternde Mädchen an die Hand und erklomm mit ihr den Abhang. Auf Zehenspitzen schlichen sie zum Lager zurück. Sie wagten kaum zu atmen.
    Schwarzer Rauch stieg aus dem erloschenen Feuer. Von dunklen Schwaden umhüllt, hockte Dunja leise klagend neben zwei ausgestreckten Gestalten. Ezra riss sich von Isaak los und eilte an ihre Seite. Entsetzt wich sie zurück. Die Männer des Kalifen lagen tot auf ihren Gebetsteppichen, nur noch ein paar Sehnen verbanden ihre Köpfe mit den Körpern. Sie waren während der Andacht mit Schwerthieben hingemeuchelt worden. So wie auch der Lastenträger, dessen Leichnam bei den Maultieren lag.
    Aus irren Augen sah Dunja zu Ezra auf, ohne in ihrem eintönigen Singsang innezuhalten. Sie hob ihr ein bluttriefendes Tuch entgegen und senkte es dann wieder in einen blutigen Rumpf, als könnte sie so die tödliche Wunde heilen.
    Ezra wirbelte herum und suchte mit den Augen das Lager
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