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Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Martina Kempff
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Kalifen in dessen früher Jugend illustrierten.
    Unterhalb der Kuppel trennte ein Vorhang aus Goldbrokat einen Raum ab.
    »Amir al-Mu’minin, Friede sei mit dir, Stellvertreter Allahs«, sprach der Kämmerer laut da hinein, wo der Stoff eine halbe Handbreit offen stand. »Ich bringe dir den weit gereisten Dhimmi Isaak. Er wird dir alles über jenen König Karl im Norden erzählen, dessen Vater König Pippin bereits mit deinem erlauchten Großvater, dem in unserem Herzen verankerten Dschafar al Mansur, den verderbten Unternehmungen der Omayyaden in Spanien und des Basileus in Konstantinopel Einhalt gebieten wollte.«
    Isaaks Entsetzen stieg. Was wurde da von ihm erwartet? Er konnte höchstens vom Ausbau der Königspfalz zu Aachen berichten, von der er allerdings nur das bereits in kurzer Zeit völlig eingerußte Küchenhaus wirklich gut kannte. Darin hatte er sich länger aufgehalten, als er bei seinem letzten Besuch auf der fettigen Türschwelle ausgerutscht war und sich den Fuß verknackst hatte. Er konnte auch von dem derb angelegten Hofgarten erzählen, dessen Pflanzen ungeachtet ihrer Schönheit nur nach reiner Nützlichkeit angeordnet worden waren und die in der Kälte des Winters allesamt starben, von denen aber manche im Frühjahr wundersamerweise wieder aufblühten.
    Als Reisender kamen ihm natürlich auch jede Menge Gerüchte zu Ohren, zum Beispiel die vom ausschweifenden Leben der schönen Töchter König Karls, ein wahrlich ungeeignetes Thema im Kalifenpalast. Oder die von Karls Liebe zu einer Gemahlin, die ihn offenbar verhext hatte. Von ihm, dem weit gereisten Juden, hatte sich des Königs Küchenmeister bei seinem letzten Besuch einen wirkungsvollen Fluch versprochen, um der an Zahnschmerzen leidenden verhassten Königin den Garaus zu machen. Isaak konnte es sich nicht leisten, irgendjemanden zu verärgern, und hatte einfach etwas vor sich hingemurmelt.
    Als ihm der Küchenmeister am nächsten Morgen froh gestimmt versicherte, sein Spruch habe bereits Wirkung gezeitigt, da sich der Zustand der bösen Frau erfreulich deutlich verschlechtert habe, hatte sich Isaak schleunigst aus dem Staub gemacht. Auf dem Weg nach Südosten erwog er, als Nächstes das ferne China zu bereisen; ins Frankenreich wollte er vorerst nicht wieder zurückkehren. Legenden waren schnell geboren, und sollte Königin Fastrada wirklich sterben oder gar schon gestorben sein, konnte ein Wort des königlichen Küchenmeisters ihm zum Verhängnis werden. Zwar sterben auch die Katzen nicht daran, wenn die Hunde sie verfluchen, aber dieses Argument würde ihm im abergläubischen Norden kaum helfen. Juden traute man dort alles zu. In Bagdad zwar auch, aber hier wurde vor allem die Weisheit des Volkes geschätzt, das die Schriften besaß. Juden galten im Kalifenreich als Dhimmi, als Schutzbefohlene des Herrschers.
    Der von ihm jetzt einen Bericht über das Frankenland erwartete. Doch woher sollte er, der Fernhändler Isaak, wissen, welchen Feldzug König Karl plante, welches Land sich dieser als Nächstes zu unterwerfen gedachte oder wie er über das Kalifenreich urteilte?
    In seinem Kopf wollte sich kein einziger sinnvoller Gedanke formen, nicht einmal eine blumige Umschreibung für sein Unwissen. Seine Kehle war staubtrocken. Er wagte es nicht, sich zu räuspern.
    »Der Jude sei mir willkommen«, forderte eine weiche Stimme Isaak auf, hinter den Vorhang zu treten.
    Mit gekreuzten Beinen saß der junge Kalif auf dem Sarir, einer Art Prunkbett, das mit einem perlenbesetzten golddurchwirkten Seidenstoff bezogen war. Um seine zitternden Knie zu entlasten, hätte sich Isaak gern der Länge nach vor Harun al Raschid hingeworfen. Doch den Fußfall habe der Abbasidenherrscher aus dem persischen Hofzeremoniell noch nicht übernommen, hatte der Kämmerer bedauernd angemerkt und eilig hinzugesetzt, dies werde sich wohl demnächst ändern. Jetzt aber solle sich Isaak nur niederbeugen, dem Kalifen Hände und Füße küssen, danach einen Schritt zurücktreten und regungslos stehen bleiben, bis der erlauchte Herrscher das Wort an ihn richte. Während der gesamten Audienz dürfe er Kopf und Hände keinesfalls bewegen. Er müsse den Blick fest auf den Fürsten gerichtet halten und langsam sprechen, natürlich nur dann, wenn er gefragt werde.
    »Nimm Platz«, sagte Harun zu Isaak und des Kämmerers Verblüffen. Nur ausersehenen Gästen wurde die Ehre zuteil, sich so schnell niederlassen zu dürfen. Der Kalif war offensichtlich guter Laune.
    Wie hell seine
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