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Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie
Autoren: Kathleen Duey
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gebracht, dann drehte er sich um
wie ein Kaninchen in der Schlinge und rannte über den Hof, den Hügel hinab, zur
Scheune.
    Sein Herz hämmerte, als er die schwere Tür
aufschob und den warmen Geruch von Vieh und Heu einsog. Schnell umklammerte er
den glatten, abgewetzten Holzgriff der Mistgabel und befüllte die Heuraufen. Er
arbeitete angespannt und lauschte dabei auf einen weiteren Schrei, aber es kam
keiner. Er molk die Ziegen und brachte den Eimer zum Fluss, um die Milch zu
kühlen. Als er den Hügel wieder hinaufstieg, war sein Vater in der Scheune und
suchte nach ihm.
    »Es ist jetzt alles still. Ich habe den
ersten Schrei des Babys gehört.«
    Micah wollte lachen und weinen zugleich.
Sein Vater hob ihn in die Luft, schwenkte ihn im Kreis und umarmte ihn dann
fest. Sie stiegen zusammen den Hügel hinauf, setzten sich unter die Eiche,
spielten mit abgefallenen Zweigen, kratzten damit Linien in die Erde und hörten
zu, wie die alte Mähre mit ihrem Schwanz die Fliegen verscheuchte.
    Als die Tür sich öffnete, sprang Micah
auf.
    »Geht es ihr gut?«, fragte sein Vater.
    Die Magierin lächelte kurz. »Aber ja. Das
Kind ist ein Mädchen.«
    Micahs Vater warf ihm
einen Blick zu, und sie grins ten
einander an.
    »Sie müssen sie unbedingt in Ruhe lassen,
Sie alle beide«, sagte die Magierin streng. »Es war eine sehr schwere Zeit.«
Micah sah ihr hinterher. Sie ging schief, als müsse sie einen Ausgleich zum
Gewicht ihrer Tasche schaffen, und über die Schulter hinweg sprach sie mit
seinem Vater. »Sie setzen das Leben Ihrer Frau aufs Spiel, wenn sie sich nicht
richtig ausruhen kann.«
    »Sie wird nichts anheben, was schwerer als
ein Löffel ist«, sagte Micah, und sein Vater nickte. Die Magierin wuchtete die
Tasche auf den Karren, knüpfte die Zügel der Mähre ab und stieg auf.
    »Von ganzem Herzen
Dank«, hörte Micah seinen Va ter
sagen. »Danke, dass Sie gekommen sind.«
    Die Magierin drehte sich noch einmal um.
»Wenn sie nur Ruhe hat, wird sie bald wieder gesund. Lassen Sie sie bis morgen
schlafen, und alles wird gut.«
    »Sie wird wochenlang keinen Finger
krümmen«, rief Micah der Magierin hinterher.
»Dafür werden wir sorgen.«
    Seine Füße fühlten sich leicht an, als
wollten sie tanzen und herumrennen. Die Magierin ließ die Peitsche über den
Rücken ihres alten Pferdes pfeifen, und der Wagen schwankte und quietschte, als
er vom Hof rollte, zurück in Richtung der großen Straße.
    »Ein Mädchen«, sagte Papa. »Deine Mutter
will, dass ein Mädchen den Namen ihrer Urgroßmutter bekommt, Sadima.« Er fuhr
sich mit der Hand übers Gesicht. »Ich finde ihn auch ganz hübsch.«
    Micah lächelte. Er mochte den Namen
ebenfalls. Sadima würde rosig, wunderschön und süß sein und kein bisschen so
aussehen wie Brahns blasse, weinerliche kleine Schwester Tarah. Als sie zum
Haus zurückgingen, straffte Micah seine Schultern. Er war zehn Jahre älter als
die winzige Sadima. Er würde sie beschützen.
    »Micah?« Sein Vater umklammerte seine
Schulter, als sie hineingingen, und riss ihn aus seinen Gedanken. »Du bist ein
guter Junge, Micah. Kein Vater hatte je einen besseren Sohn.«
    Micah starrte zu seinem Vater empor und
war überrascht über das Lob.
    »Lass uns die Eier einsammeln«, sagte sein
Vater schnell und warf einen Blick durch die Tür hindurch zum Himmel, als würde
ihm erst in diesem Augenblick klar, dass der Abend nahe war. »Wenn sie aufwacht,
dann müssen wir ihr mehr als die Suppe von gestern auftischen.«
    Micah nahm den Korb vom Haken. Die Hennen
waren unruhig und streitlustig. Sie waren daran gewöhnt, dass er sie am Morgen
stören kam, nicht, wenn die Nachmittagssonne durch die Bretter schien. Als er
zurückkam und die Tür öffnete, loderten schon die Flammen in der Feuerstelle.
Sein Vater hatte das Holz aufgestapelt, und es wurde warm im Zimmer.
    »Hier, Micah«, rief sein Vater, und
schöpfte ihm eine Schale dicker Suppe aus dem Eisentopf. »Für dich und mich ist
sie allemal gut genug.«
    Schweigend aßen sie, und beide warfen alle
paar Sekunden einen Blick in den Flur.
    »Ich werde nur mal kurz hineinspähen«,
sagte Micahs Vater, als seine Schale leer war. »Vielleicht ist sie ja halb wach
und stillt das Baby, und vielleicht möchte sie dann doch ein bisschen Brühe.«
Micah folgte seinem Vater durch den Flur. Er fragte sich, ob die kleine Sadima
die hellen Augen ihrer Mutter oder die braunen ihres Vaters haben mochte. »Sei
ganz leise«, flüsterte sein Vater und drehte am
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