Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Fünfundvierzig

Titel: Die Fünfundvierzig
Autoren: Alexander Dumas d. Ä.
Vom Netzwerk:
verstehe ich Aufruhr, und ich sage, es werde kein Aufruhr losbrechen. Wenn ein Aufruhr zu erwarten wäre, so würde der König nicht eine Loge im Stadthause haben schmücken lassen, um mit den beiden Königinnen und einem Teile des Hofes der Hinrichtung beizuwohnen.«
    »Wissen die Könige je vorher, wann es zu Meutereien kommt?« sagte mit einer Miene erhabenen Mitleids der Mann mit den langen Armen und den langen Beinen.
    »Oh! oh!« machte Meister Miton, sich an das Ohr des andern Bürgers neigend.» »Das ist ein Mensch, der in einem seltsamen Tone spricht. Kennt Ihr ihn, Gevatter?« – »Nein,« antwortete der Kleine.»Nun, warum redet Ihr dann mit ihm?« – »Ich rede mit ihm, um mit ihm zu reden.«
    »Und Ihr habt unrecht; Ihr seht wohl, daß er nicht gesprächiger Natur ist.« – »Mir scheint jedoch,« versetzte der Gevatter Friard laut genug, um von dem Mann mit den langen Armen gehört zu werden, »daß es das größte Glück des Lebens ist, seine Gedanken auszutauschen.«
    »Mit denen, die man sehr gut kennt, aber nicht mit denen, die man nicht kennt.« – »Sind nicht alle Menschen Brüder, wie der Pfarrer von Saint-Leu sagt?«
    »Was heißt, sie waren es ursprünglich; doch in Zeiten wie die unsrigen hat sich die Verwandtschaft merkwürdig gelockert, Gevatter Friard. Schwatzt also mit mir, wenn Ihr durchaus schwatzen wollt, und überlaßt diesen Fremden seinen Gedanken.«– »Euch kenne ich seit langer Zeit, wie Ihr sagt, und weiß zum voraus, was Ihr mir antworten werdet, während mir dieser Unbekannte dagegen vielleicht etwas Neues zu sagen hätte.«
    »St! er horcht auf Euch.« – »Desto besser; wenn er auf uns horcht, so wird er mir vielleicht antworten. Ihr denkt also, es werde auf der Grève Lärm geben?« fuhr er, sich an den Unbekannten wendend, fort. – »Ich habe kein Wort davon gesagt.«
    »Ich behaupte nicht, daß Ihr es gesagt habt,« versetzte Friard mit einem Tone, den er fein zu machen suchte, »ich behaupte nur, daß Ihr das denkt.« – »Und worauf gründet Ihr diese Gewißheit? Solltet Ihr ein Zauberer sein, Herr Friard?«
    »Halt! er kennt mich,« rief der Bürger, im höchsten Maße erstaunt, »und woher kennt er mich?« – »Habe ich Euch nicht zwei- oder dreimal genannt, Gevatter?« sagte Miton, die Achseln zuckend, wie ein Mensch, der sich vor einem Fremden des geringen Verstandes seines Gefährten schämt.
    »Ah! es ist wahr,« sagte Friard, der sich anstrengte, um zu begreifen, und infolge dieser Anstrengung auch wirklichbegriff; »bei meinem Wort, es ist wahr. Nun! da er mich kennt, wird er mir wohl antworten. Nun! mein Herr,« fuhr er fort, indem er sich wieder an den Unbekannten wandte, »ich denke, Ihr denkt, es werde auf der Grève Lärm geben, da Ihr, wenn Ihr es nicht dächtet, dort wäret, indes Ihr hier seid ... ha...«
    Dieses »ha« bewies, daß der Gevatter Friard in seiner Folgerung die äußersten Grenzen seiner Logik und seines Geistes erreicht hatte.
    »Aber Ihr, Herr Friard, der Ihr das Gegenteil von dem denkt, was Ihr denkt, daß ich denke,« erwiderte der Unbekannte, »warum seid Ihr nicht auf der Grève? Mir scheint doch, das Schauspiel ist ergötzlich genug, daß sich die Freunde des Königs dort drängen. Ihr werdet mir vielleicht antworten, Ihr gehörtet nicht zu den Freunden des Königs, sondern zu denen des Herrn von Guise, und Ihr erwartetet hier die Lothringer, die, wie man sagt, in Paris einfallen sollen, um Herrn von Salcède zu befreien.«
    »Nein, mein Herr,« antwortete rasch der Dicke, sichtbar erschrocken über die Voraussetzung des Unbekannten; »nein, mein Herr, ich erwarte meine Frau, Nicole Friard, die vierundzwanzig Tischtücher in die Priorei der Jakobiner getragen hat, da sie sich der Ehre erfreut, die Privatwäscherin von Dom Modeste Gorenflot, dem Abte der genannten Priorei der Jakobiner, zu sein...«
    »Gevatter, Gevatter,« rief Miton, »schaut doch, was vorgeht.«
    Meister Friard folgte der durch den Finger seines Gefährten angegebenen Richtung und sah, daß man außer den Schlagbäumen auch noch das Tor schloß, worauf sich ein Teil der Schweizer vor dem Graben aufstellte.
    Beim Anblick dieser neuen Maßregel erhob sich ein langes Gemurmel des Erstaunens und hin und wieder ein Schrei des Schreckens aus der sich drängenden Menge.
    »Laßt den Kreis bilden!« rief die gebieterische Stimme eines Offiziers.Dies wurde auf der Stelle ausgeführt, doch nicht ohne Schwierigkeit; genötigt, zurückzuweichen, zerquetschten die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher