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Die Fünfundvierzig

Titel: Die Fünfundvierzig
Autoren: Alexander Dumas d. Ä.
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zwölf Uhr, Porte Saint-Antoine. Geht zu.«
    Der dritte Gaskogner näherte sich; es war der mit der Frau und den Kindern.
    »Eure Karte?«
    Seine gehorsame Hand tauchte sogleich in eine kleine Weidtasche von Ziegenfell, die an seiner rechten Seite hing. Aber es war vergeblich. Belästigt durch das Kind, das er auf dem Arme trug, konnte er das Papier nicht finden.
    »Was zum Teufel macht Ihr mit dem Kinde, Ihr seht wohl, daß es Euch hindert?« – »Es ist mein Sohn Scipio, Herr von Loignac.«»Nun! so setzt Euren Sohn auf die Erde.«
    Der Gaskogner gehorchte, das Kind fing an zu heulen.
    »Ah! Ihr seid also verheiratet?« – »Ja, Herr Offizier.«
    »Mit zwanzig Jahren?« – »Man heiratet jung bei uns, Ihr wißt es wohl, Herr von Loignac, da Ihr mit achtzehn geheiratet habt.«
    »Gut,« sagte Loignac, »das ist abermals einer, der mich kennt.«
    Die Frau hatte sich mittlerweile genähert, und die an ihrem Rocke hängenden Kinder waren ihr gefolgt.
    »Und warum sollte er nicht verheiratet sein?« fragte sie, indem sie sich aufrichtete und von ihrer sonngebräunten Stirn ihre schwarzen Haare strich, die der Staub des Weges wie einen Teig daran kleben ließ; »ist es in Paris aus der Mode gekommen zu heiraten? Ja, er ist verheiratet, und hier sind noch zwei Kinder, die ihn Vater nennen.«
    »Ja, aber es sind nur die Söhne meiner Frau, Herr von Loignac, wie auch dieser große Junge, der hinten steht; tritt vor, Militor, und grüße Herrn von Loignac, unsern Landsmann.«
    Ein junger Mensch von sechzehn bis siebzehn Jahren, kräftig, lebhaft und durch sein rundes Auge sowie durch seine Nase einem Falken ähnlich, näherte sich, die Hände in seinem Gürtel von Büffelleder; er war in eine gute Kasake von gestrickter Wolle gekleidet, trug auf seinen muskeligen Beinen eine Hose von Gemsleder, und ein sprossender Schnurrbart beschattete seine zugleich freche und sinnliche Lippe.
    »Es ist Militor, mein Stiefsohn, Herr von Loignac, der älteste Sohn meiner Frau, die eine Chavantrade, eine Verwandte der Loignac Militor von Chavantrade, ist, Euch zu dienen. Verbeuge dich, Militor.«
    Militor verbeugte sich leicht und ohne seine Hände aus dem Gürtel zu ziehen.»Um Gottes willen, mein Herr, Eure Karte,« rief Loignac ungeduldig.
    »Kommt und helft mir, Lardille,« sagte der Gaskogner errötend zu seiner Frau.
    Lardille machte nacheinander die an ihrem Rocke angeklammerten Hände los und suchte selbst in dem Weidsack und in den Taschen ihres Mannes.
    »Wir müssen sie verloren haben,« sagte sie.
    »Dann lasse ich Euch verhaften,« versetzte Loignac.
    Der Gaskogner wurde bleich und erwiderte: »Ich heiße Eustache von Miradoux und werde mich durch Herrn von Sainte-Maline, meinen Vetter, empfehlen.«
    »Ah! Ihr seid ein Verwandter von Sainte-Maline,« sagte Loignac, ein wenig besänftigt... »Freilich, wenn man sie hört, sind sie mit allen verwandt; so sucht noch einmal und sucht mit Erfolg!«
    »Lardille, seht in den Kleidern Eurer Kinder nach,« sprach Eustache, zitternd vor Ärger und Unruhe.
    Lardille kniete vor ein kleines Päckchen bescheidener Effekten nieder und drehte es murrend um.
    Der junge Scipio fuhr fort, sich heiser zu schreien, zumal seine Stiefbrüder die gute Gelegenheit benutzten, ihm Sand in den Mund zu stopfen.
    Militor regte sich nicht; es war, als gingen die Erbärmlichkeiten des Familienlebens unter oder über diesen großen Burschen hin, ohne ihn zu berühren.
    »Ei!« rief plötzlich Herr von Loignac, »was sehe ich dort auf dem Ärmel dieses Schöpses?«
    »Ja, ja, das ist es,« rief Eustache triumphierend; »das ist ein Gedanke von Lardille; sie hat die Karte Militor angenäht.«
    »Damit er doch etwas trage,« sagte Loignac spöttisch. »Oh über das große Kalb, das nicht einmal mit den Armen schlenkert, aus Furcht, ihr Gewicht zu fühlen.«
    Militors Lippen erbleichten vor Zorn, während seinGesicht auf der Nase, auf dem Kinn und auf der Stirn marmorartig rot wurde.
    »Ein Kalb hat keine Arme,« brummte er mit boshaften Augen, »es hat Klauen wie gewisse Leute von meiner Bekanntschaft.«
    »Friede!« sagte Eustache, »du siehst wohl, Militor, daß Herr von Loignac uns die Ehre erweist, mit uns zu scherzen.«
    »Nein, bei Gott! ich scherze nicht,« erwiderte Loignac, »dieser große Bursche soll im Gegenteil meine Worte so nehmen, wie ich sie sage. Wenn er mein Stiefsohn wäre, ließe ich ihn Mutter, Bruder, Gepäck tragen und würde selbst noch darauf steigen und ihm die Ohren verlängern, um
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