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Die fünfhundert Millionen der Begum

Die fünfhundert Millionen der Begum

Titel: Die fünfhundert Millionen der Begum
Autoren: Jules Verne
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ganz mechanisch denjenigen Rednern das Wort zu ertheilen, welche auf einer ihm vorliegenden Liste verzeichnet standen. Er steckte stets die Hand in eine Oeffnung seines im Uebrigen zugeknöpften Ueberrockes – nicht etwa, weil er vom Pferde gestürzt war – sondern einzig deshalb, weil einige englische Bildhauer diese unbequeme Stellung für die Statuen mehrerer Staatsmänner gewählt haben.
    Ein bleiches glattes Gesicht mit einzelnen rothen Flecken, eine Perrücke aus Queckengras, hoch über einer wahrscheinlich etwas hohlklingenden Stirne aufgethürmt, bildeten eine höchst komische und gleichzeitig ungeheuer steife Erscheinung. Lord Glandover bewegte sich nur im Ganzen, als wäre er aus Holz oder Papiermaché hergestellt. Selbst seine Augen zuckten unter dem Knochenbogen ihrer Höhlen nur stoßweise, wie die einer Puppe oder eines Gliedermannes.
    Bei der ersten Vorstellung hatte der Präsident des hygienischen Congresses Doctor Sarrasin mit gnädiger Herablassung begrüßt, welche, in Worte übersetzt, etwa lautete:
    »Guten Tag, Sie kleiner Mann!…. Sie sind also Derjenige, welcher, um sein bischen Leben zu gewinnen, solche kleine Arbeiten mit den kleinsten Maschinchen ausführt?…. Ich muß in der That ein scharfes Gesicht besitzen, um eine auf der Stufenleiter der lebenden Wesen so tief unter mir stehende Creatur zu erkennen…. Setzen Sie sich in den Schatten meiner Herrlichkeit, ich gestatte es Ihnen!« Heute begrüßte ihn Lord Glandover mit dem zuvorkommendsten Lächeln und trieb die Höflichkeit sogar so weit, ihm einen leeren Platz an seiner rechten Seite anzubieten. Uebrigens hatten sich auch alle übrigen Mitglieder des Congresses von ihren Sitzen erhoben.
    Verwundert über diese Zeichen außerordentlich schmeichelhafter Aufmerksamkeit und in der Ueberzeugung, daß der Blutkügelchen-Zähler seinen Collegen bei näherer Betrachtung doch als eine weit wichtigere Entdeckung als auf den ersten Blick erschienen sei, nahm Doctor Sarrasin den ihm angebotenen Platz ein.
    All’ sein Entdecker-Stolz schwand aber dahin, als Lord Glandover sich mit einer so ungewohnten Verrenkung, daß er sich dabei wohl einen steifen Hals zuziehen konnte, zu seinem Ohr neigte und sagte:
    »Ich höre, daß Sie ein Mann von großem Vermögen sind? Man sagt mir, Sie »wären einundzwanzig Millionen Sterling werth?«
    Lord Glandover schien untröstlich, daß er das eine so hübsche Summe erreichende Aequivalent an Fleisch und Bein hatte so unbeachtet lassen können.
    »Warum theilten Sie mir das nicht gleich mit?…. Offen gesagt, das war nicht hübsch; man soll sich nicht solchem falschen Verdacht aussetzen!«
    Doctor Sarrasin, der sich seinem Gefühle nach nicht um einen Deut mehr werth schätzte als bei den früheren Sitzungen, fragte sich, wie die ihn betreffende Neuigkeit schon eine solche Verbreitung habe finden können, als Doctor Ovidius aus Berlin, sein rechter Nachbar, ihm lächelnd zuflüsterte:
    »Sie sind ja ein wahrer Rothschild geworden! – Der »Daily Telegraph« bringt schon die Nachricht!…. Meinen herzlichen Glückwunsch!«
    Er übergab ihm dabei eine Nummer des Journals von demselben Morgen. Da las man unter der Rubrik »Vermischtes« folgende Zeilen, die ihren Verfasser deutlich genug erkennen ließen:
    »Eine ungeheure Erbschaft. – Die berühmte, unerhobene Nachlassenschaft der Begum Gokool hat endlich durch die Gewandtheit und Mühe der Herren Billows, Green und Sharp, Sollicitors, 93 Southampton row, London, ihren berechtigten Empfänger gefunden. Der glückliche Eigenthümer jener jetzt in der Bank von England niedergelegten einundzwanzig Millionen Sterling ist ein französischer Arzt, der Doctor Sarrasin, über dessen schöne Denkschrift, die er dem Congresse für Hygiene in Brighton vorgelegt, wir vor wenig Tagen erst berichtet haben. Nach vieler Mühe und vergeblichen Nachforschungen, deren Aufzählung fast einen Roman für sich bilden würde, ist Mr. Sharp der unbestreitbare Nachweis gelungen, daß Doctor Sarrasin der einzige lebende Nachkomme des Baronet Jean Jacques Langevol, des zweiten Gemahls der Begum Gookol, ist. Der Erwähnte stammt, wie alle Documente bestätigen, aus der kleinen französischen Stadt Bar-le-Duc. Zum Zwecke der Besitzergreifung sind nur noch einige unbedeutende Formalitäten zu erfüllen. Das Gesuch liegt dem Kanzleihofe jetzt schon vor. Es ist wahrlich eine wunderbare Verknüpfung von Umständen zu nennen, die auf das Haupt eines französischen Gelehrten außer einem
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