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Die fünfhundert Millionen der Begum

Die fünfhundert Millionen der Begum

Titel: Die fünfhundert Millionen der Begum
Autoren: Jules Verne
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ihren Sohn und ihre Tochter. Es schien ihr, als gehöre ihnen nun die ganze Welt und als könnte das Unglück unmöglich jemals die jungen Leute treffen, welche jetzt einige hundert Millionen besaßen. Die Frauen sind indeß weit mehr als die Männer dazu geschaffen, große Schicksalswandlungen zu ertragen. Madame Sarrasin durchlas den Brief ihres Gatten noch einmal, sagte sich, daß es seine Sache wäre, über ihr Geschick und das der Kinder zu bestimmen, und die Ruhe zog damit wieder in ihr Herz ein. Jeanne schien über die Freude ihrer Mutter und ihres Bruders beglückt zu sein; ihr dreizehnjähriges Köpfchen selbst aber träumte von keinem größeren Glücke, als sie in diesem kleinen Hause schon genoß, wo sich ihr Leben zwischen dem Unterrichte der Lehrer und den Liebkosungen der Eltern in Frieden und Freuden abspielte. Sie hatte keine besondere Vorstellung davon, warum einige Stöße Banknoten mehr in ihrer Lebensweise eine besondere Veränderung hervorbringen sollten, und machte sich deshalb über die Zukunft keine besonderen Sorgen.
    Madame Sarrasin, sehr jung schon die Gattin eines gänzlich mit seinen stillen Studien beschäftigten Fachgelehrten, respectirte die Liebhaberei ihres Mannes, den sie zärtlich liebte, wenn sie ihn auch nicht immer verstand. Da sie das Glück, das Doctor Sarrasin in seiner Arbeit fand, nicht zu theilen vermochte, fühlte sie sich wohl manchmal etwas vereinsamt an der Seite dieses fleißigen Forschers und wandte ihre Liebe, ihre Hoffnungen nur destomehr ihren Kindern zu. Für sie träumte sie immer eine glänzende Zukunft, welche ihnen unzweifelhaft bevorstehen müsse. Octave – daran zweifelte sie keinen Augenblick – war gewiß noch zu höheren Dingen berufen. Seit seinem Eintritte in die Centralschule hatte sich die bescheidene und nützliche Akademie für junge Ingenieure in ihrer Vorstellung zu einer Pflanzschule berühmter Männer erhoben. Ihre einzige Beunruhigung hatte den Grund darin, daß sie ihr geringes Vermögen für ein Hinderniß, für eine Schwierigkeit ansah, welches die glorreiche Laufbahn ihres Sohnes hemmen und auch der einstigen Lebensstellung ihrer Tochter schaden könne. Was sie jetzt freilich aus dem Schreiben ihres Mannes ersah, sagte ihr, daß sie solche Befürchtungen fallen lassen könne. Jetzt war ihre Befriedigung vollständig.
    Mutter und Sohn verbrachten einen großen Theil der Nacht plaudernd und Pläne entwerfend, während die mit der Gegenwart zufriedene und um die Zukunft unbesorgte Jeanne in einem Lehnstuhl friedlich eingeschlummert war.
    Endlich wollten sich auch die beiden Anderen einige Ruhe gönnen.
    »Du hast mir noch gar nichts von Marcel mitgetheilt, sagte Madame Sarrasin zu ihrem Sohne. Setztest Du ihn von dem Briefe des Vaters etwa gar nicht in Kenntniß? Was meint er dazu?
    – O, erwiderte Octave, Du kennst ja Marcel! Er ist mehr als ein Gelehrter, er ist ein Stoiker vom Kopf bis zu den Zehen! Ich glaube, er erschrak über die Größe dieser Erbschaft, d.h. in Bezug auf uns; den Vater nahm er davon aus, dessen gesunder Sinn, wie er sagt, und tiefe wissenschaftliche Bildung ihn beruhigte. Zum Teufel, aber was Dich betrifft, Mutter, und Jeanne auch und vorzüglich mich, so verhehlte er nicht, daß er eine geringere Erbschaft, so etwa fünfundzwanzigtausend Pfund Rente, weit lieber gesehen hätte….
    – Marcel hat vielleicht so unrecht nicht, antwortete Madame Sarrasin mit einem Blick auf ihren Sohn. Ein plötzlicher Glücksfall birgt für gewisse Naturen nicht selten seine Gefahren!«
    Jeanne war eben wieder erwacht und hatte nur die letzten Worte ihrer Mutter gehört.
    »Du weißt, Mama, sagte sie, sich die Augen reibend und nach ihrem Kämmerchen wankend, Du weißt, was Du mir eines Tages gesagt hast, daß Marcel immer recht habe! Ich, ich glaube, was unser Freund Marcel für wahr hält!«
    Jeanne umarmte noch ihre Mutter und verschwand.
Drittes Capitel.
Unter »Vermischtes«.
    Als sich Doctor Sarrassin zur vierten Sitzung des hygienischen Congresses einstellte, drängte sich ihm die Beobachtung auf, daß ihn alle Collegen mit ganz besonderer Auszeichnung empfingen. Bis jetzt hatte der ehrenwerthe Lord Glandover, Ritter des Hosenband-Ordens, der den nominellen Vorsitz der Versammlung führte, es kaum für der Mühe werth erachtet, von der persönlichen Anwesenheit des französischen Arztes Notiz zu nehmen.
    Dieser Lord war ein hochgestellter Mann, dessen Aufgabe darin bestand, die Sitzungen zu eröffnen oder zu schließen, und
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