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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)
Autoren: Ulrike Nolte
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wiederbekommen.“
    „Großer Gott“, murmelte Serail
gequält. „Wenn Caravan verloren geht, ist es meine Schuld? Eine größere
Verantwortung kannst du mir wohl nicht aufbürden? Was ist, wenn ich es nicht
schaffe? Du bist ein Gestaltwandler. Wie soll ich dich daran hindern zu
schwimmen, wohin du willst? Wenn ich dich festhalte, kannst du dich in einen
Alligator verwandeln und mir den Arm abbeißen.“
    Dschinn lachte leise, nahm Serails
Gesicht in die Hände und küsste ihn. „Nein, das wird nicht passieren. Auch als
Tier werde ich das Gefühl zurückbehalten, dass wir getraut sind. Diesen Teil
von mir gebe ich nicht her. Ich werde mich benehmen wie dein verwöhnter Lieblingshund
oder wenigstens wie ein zahmer Falke. Ich werde wissen, dass ich dir gehöre. Du
musst nur dieses Gefühl in mir wachhalten, während wir auf Caravans Rückkehr
warten. Halt mich fest, zeige mir, dass ich bleiben soll. Lass mich nicht
fort.“
    „Okay“, murmelte Serail heiser.
„Ich werde es versuchen.“
    „Mach dir keine Sorgen“, sagte
Dschinn und gab ihm einen weiteren Kuss. „Ich weiß, dass du es schaffst.“
    „Wenn du das sagst.“ Serail
schaute hilflos in Caravans altbekannte Augen. Dann wandte er den Blick ab und
hob die Tasse an die Lippen. Aber er stockte mitten in der Bewegung und stellte
den Tee wieder hin, ohne getrunken zu haben. „Du hast mir schon immer zu sehr
vertraut. Wenn ich mit Verantwortung zurechtkäme, dann hätte ich dich damals
bei unserer ersten Expedition nicht allein gelassen und du wärest nicht
gestorben.“
    Dschinn ließ die Worte eine Weile
unbeantwortet in der Luft hängen, dann sagte er: „Stimmt.“
    Serail schaute hoch. Mit dieser
Antwort hatte er nicht gerechnet. Er wollte, dass sein Getrauter ihm
widersprach und ihn tröstete. Caravan hätte das getan. Serail wollte
hören: ‚So ein Unsinn, Liebling, es ist nicht deine Schuld. Gar nichts ist
deine Schuld. Mach dir keine Gedanken.’ Aber Dschinn war inzwischen zu dem
Schluss gekommen, dass solche liebevolle Nachgiebigkeit mehr schadete als
nützte.
    Serail fühlte sich zu Recht
verantwortlich. Nicht für Caravans Tod, aber dafür, dass er ihn allein
gelassen hatte, ihn vernachlässigt, betrogen, seine Gutmütigkeit ausgenutzt
hatte. Daher ließen sich seine Schuldgefühle nicht einfach wegreden. Was er
brauchte, war eine Chance, es wieder gutzumachen. „Es spielt keine Rolle, was
du damals getan hast“, sagte Dschinn scharf. „Denn diesmal wirst du dich anders
benehmen. Du wirst mich nicht allein lassen. Du wirst mich in den Armen halten
und dich mit deinem ganzen Herzen an mir festklammern, damit Caravan nicht noch
einmal im Ozean verschwindet. Du ganz allein wirst dafür sorgen, dass er
wohlbehalten zurückkehrt. Und davon wirst du dich nicht durch Selbstmitleid und
Schwarzseherei und eine Kanne Blautee abhalten lassen. Ist das klar?“
    Serail nickte eingeschüchtert.
„Ja, das ist klar. Ich werde es schon schaffen.“ Er schob die Schultern zurück
und hob den Kopf. „Ganz bestimmt.“
    „Das ist eine sehr gute
Einstellung“, grinste Dschinn. „Und gerade zur richtigen Zeit. Sieht so aus,
als würde Lazarus zur Landung ansetzen.“
     
    Der Himmel war blau und das Meer eine
glatte silberne Fläche. Serail trieb mit seinem Tauchanzug im Wasser, leckte
sich nervös das Salz von den Lippen und schaute zur Schiebetür des Shuttles hinauf.
Dort in der Öffnung stand sein Getrauter und schaute in das Licht der Sonne,
die ihn auf seiner Geburtswelt willkommen hieß. Wie mochte es sich anfühlen,
einen ganzen Planeten als Heimat zu besitzen?
    Auf Serail wirkten der strahlende
Äquatortag und der weite Himmel verstörend. Das würde sich vermutlich nie ganz
ändern. Selbst wenn er sein restliches Leben auf Archensee verbrachte.
Vielleicht konnte sich die nächste Generation hier zu Hause fühlen, aber die
Erstsiedler würden immer Fremde bleiben, die sich nach engen Stahlwänden
sehnten.
    Sein Getrauter breitete die Arme
aus wie ein Akrobat und stieß sich federleicht vom Boden ab. Er sprang in einem
weiten Bogen, fast sah es aus, als würde er in die Mittagssonne hineinfliegen.
Seine Gestalt schimmerte und verwandelte sich, wurde quecksilbrig und
stromlinienförmig, Fischschuppen blitzten im gleißenden Licht. Dicht neben
Serail tauchte er ein, und sein glatter Körper hinterließ fast keine Wellen,
als er in der Tiefe verschwand.
    Serail folgte ihm, kam sich klobig
und ungelenk vor, während er mit seinem Blei beschwerten
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