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Die Freundin meines Sohnes

Die Freundin meines Sohnes

Titel: Die Freundin meines Sohnes
Autoren: Lauren Grodstein
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Ist doch gut, mit Iris mal zu einem Spiel zu gehen. Du weißt ja, wie sie den Spielern immer schöne Augen macht.« Dass unsere Frauen von muskelbepackten echten Kerlen träumten, war ein anderer Witz zwischen uns. Unseres Wissens stimmte es bei keiner von beiden.
    Die Kellnerin kam wieder, um unsere Bestellung aufzunehmen, ein Western-Omelette für mich, Haferbrei und ein verlorenes Ei für Joe, und als sie wieder gegangen war, verstummten wir abermals. Ich wollte nach Laura fragen – wie es ihr ging natürlich und was ihr Therapeut meinte –, aberauch danach, was alle anderen im Krankenhaus beschäftigte, wenn sie sich auf Fluren, im Grand Union oder im Garland Chop House begegneten, wo wir samstags zu Abend aßen. Wie kann es sein, dass sie nichts gemerkt haben? Er ist doch Gynäkologe, Geburtshelfer! Betreut Risikoschwangerschaften! Die eigene Tochter!
    Und dann, etwas leiser geflüstert: Hat sie dem Kind wirklich den Schädel zertrümmert? Ihn wie einen Wiffleball geschlagen? Und, noch leiser: Wer war überhaupt der Vater ?
    »Sie hat einfach nicht mehr mit uns geredet, daran lag es«, sagte Joe nach einer Weile. Er befingerte die Jukebox, die neben dem Tisch stand, genau wie unsere Kinder es machten, wenn wir mit ihnen hierher kamen, um Milchshakes zu trinken. Die schon in die Jahre gekommenen Songs waren eigentlich nie richtig populär gewesen – B-Seiten von Donovan, Freddie Fender, Gary Puckett and the Union Gap.
    »Aber das sagen alle, wenn es um Teenager geht. Die machen eines Tages den Mund zu – was haben wir schon gewusst? Heute sagt Iris, wenn sie zurückdenkt, dass Laura sich nicht mal anfassen lassen wollte. Das hätte uns zu denken geben müssen. Iris geht hin zu ihr, will sie in den Arm nehmen, ihr einen Knopf zumachen oder so, und Laura weicht zurück.«
    »Ach, Kinder können –»
    »Nein, nein. Der Psychiater hat gesagt, das wär eines der Anzeichen – eines der Anzeichen, ein klassisches. Sie wollen sich nicht anfassen lassen, sie sind felsenfest davon überzeugt, dass man es spürt. Das Baby.«
    »Joe, ich – »
    »Irgendwann hat sie dann bloß noch so sackartiges Zeug angezogen, ich weiß auch nicht. Sie hatte immer weite Sachen an. Seit sie zwölf war, hat sie sich meine alten Sweatshirts geholt, sie hatte immer Komplexe mit ihrem Körper.« Er sahzu mir hoch, so als sollte ich ihm das bestätigen. »Andere Mädchen aus ihrer Klasse ziehen sich an wie Madonna, und Laura läuft in weiten Flanellhemden und ihrer alten Jeans rum, und versteckt sich hinter einem Buch.«
    »Sie ist ein zurückhaltendes Mädchen.«
    Joe stöhnte. »Deshalb sieht man es ihr nicht an, natürlich sieht man es ihr nicht an. Am Ende des sechsten Monats hat sie die Bauchmuskeln einer Siebzehnjährigen, und sie versteckt alles unter Flanellhemden. Was hätten wir denn machen sollen, ihren Menstruationskalender überwachen? Die Tampons im Bad nachzählen?«
    »Natürlich nicht.«
    Er unterbrach mich mit einer Handbewegung. »Aber das sagt New Jersey. Wir hätten es wissen müssen.«
    »Scheiß auf New Jersey.«
    Joe schüttelte den Kopf. Ich konzentrierte mich mehr auf meinen Kaffee, als ich es sollte. Laura Stern – was wusste ich von ihr? Es war schon einige Jahre her, dass wir zusammen Urlaub in Delaware gemacht hatten, und sie war ja schon damals soviel älter als die anderen Kinder gewesen, dass man sie nur selten zu Gesicht bekam. Schlimme Teenager-Akne, Flanellhemden, klar, und frühreife literarische Vorlieben, ihre Nase steckte immer in etwas Verquerem, in Middlemarch oder Die Mühle am Floss . Sogar am Strand. Mit wem hatte sie geschlafen? Zu meiner Highschool-Zeit hätte niemand mit einer Laura Stern geschlafen.
    »Das Seltsame ist«, sagte Joe, »wir haben uns ihr immer nahe gefühlt. Oder ich zumindest. Die anderen drei waren die Kinder, aber Laura, die war wie unser Leutnant. Die zweite, dem Rang nach. Wir waren noch so jung, als sie zur Welt kam, und sie hatte immer so etwas Erwachsenes an sich. Ein ernstes Kind. So klug.«
    »Ich weiß, Joe.«
    »Was hat sie denn dann geglaubt, was wir mit ihr machen würden? Wenn wir es erfahren? Was hätten wir gemacht?«
    »Sie hatte halt Angst.«
    »Aber warum? Warum sollte sie Angst vor uns haben? Kennt sie uns nicht?« Das machte ihm am meisten zu schaffen, das war mir klar, mehr noch als die Geburt in der Bibliothek und das tote Baby im Müll. Seine eigene Tochter hatte ihm nicht sagen können, wie es um sie stand.
    »Hör mal, du kannst nicht …«
    »Warum
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