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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen
Autoren: T.C. Boyle
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ganzer Stolz ein - »Hotels Imperial.«
    Kein Aufhorchen, nichts. Langsam begann ich mich zu ärgern. Mein Englisch war vollkommen verständlich, ja ich beherrschte die Sprache gut genug, um einigermaßen mühelos jenen hohltönenden Konsonanten zu erzeugen, der meinen Landsleuten solche Schwierigkeiten bereitete. »Mr. Lloyd Wright«, wiederholte ich unter sorgfältiger Betonung des Doppel-L.
    Jetzt war es an mir, etwas ausgiebigere Betrachtungen anzustellen: Wer war diese Frau? Diese Farmerin mit den schmuddeligen Jungen, den überdimensionalen Brüsten und mehreren Kinnen, die einander umschlossen wie die Jahresringe eines Baums?
    Was für ein Recht hatte sie, mich auszufragen? Ich wusste es nicht, damals noch nicht, doch ich vermutete, dass sie noch nie vom Hotel Imperial gehört hatte, von seiner überirdischen Schönheit und der revolutionären Bauweise, dank der es die schlimmste Erdbebenkatastrophe in unserer Geschichte mit wenigen, lediglich oberflächlichen Schäden überstanden hatte - ja ich vermutete, dass sie nie auch nur von meiner Heimat gehört hatte oder von den riesigen brodelnden Weiten des Pazifiks, die zwischen ihrem und meinem Land lagen. Doch den Namen Lloyd Wright kannte sie. Er explodierte wie eine Granate in der Tiefe ihrer Augen und drückte ihre Mundwinkel nach unten, bis ihre ganze Mundpartie wie versteinert wirkte.
    »Ich kann Ihnen nicht helfen«, sagte sie, hob die Hand und ließ sie wieder fallen, dann wandte sie sich ab und ging die Straße entlang zurück. Die Jungen blieben noch einen Augenblick stehen, tief beeindruckt von der wundersamen Erscheinung dieses glänzenden, sportlichen gelbschwarzen Automobils, das am Rand ihres Landsträßchens angehalten hatte, und des Exoten an seinem Steuer, doch dann ließen sie die Schultern hängen und trödelten ihr hinterher. Ich blieb mit den Insekten, der Vegetation und dem Hund zurück, der sich kurz in den Staub hockte, um sich hinter dem Ohr zu kratzen, und dann davontrottete, den anderen nach.
    Wie sich zeigte, fand ich den Weg nach Taliesin schließlich doch, was immer das auf der symbolischen Ebene besagen oder worauf es hindeuten mochte - hätte ich ihn nicht gefunden, wäre es wenig sinnvoll, dies alles zu Papier zu bringen. Jedenfalls saß ich noch einen Moment lang da, verblüfft über die Gleichgültigkeit, die man mir demonstriert hatte und die hier vielleicht normal sein mochte, in meiner Heimat aber undenkbar gewesen wäre. Amerikaner, brummte ich, und musste unweigerlich an meinen Vater denken, der sich gern und oft über dieses Volk beklagte und der wachsenden Frustration während seiner Jahre in Washington fast erlegen wäre, dann packte ich den Schaltknüppel und wendete. Diesmal zog das Farmhaus links an mir vorbei, und nachdem ich mehrmals hintereinander willkürlich abgebogen war, entdeckte ich tatsächlich neue Scheunen, neue Landsträßchen, neue Radfurchen, bis schließlich - mirabile dictu - der angebliche Fluss in Sicht kam und mit ihm die Straße. Meine Stimmung verbesserte sich schlagartig. Es ging aufwärts. Gleich kommt es, sagte ich mir immer wieder, gleich kommt es, doch inmitten meiner wachsenden Vorfreude meldete sich plötzlich meine Unsicherheit. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete. Zwar war ich von meiner bisherigen Ausbildung durchaus überzeugt - nach einem abgeschlossenen Studium an der Kaiserlichen Universität Tokio war ich zu weiterführenden Studien erst nach Harvard, dann ans M.I.T. gegangen, um mir ein modernes, ein westliches Architekturverständnis anzueignen, und ich war bereit, dafür von morgens bis abends zu arbeiten und auch die Nacht noch zum Tage zu machen -, doch nach Taliesin fuhr ich infolge eines spontanen Entschlusses. Es war ganz simpel gewesen: Im vergangenen Frühling hatte ich mich eines Nachmittags mit einem Zikkurat aus Büchern unter dem einen Arm und dem Kasten mit meinen Zeichenutensilien unter dem anderen durch den Flur des Architekturgebäudes geschleppt, verstimmt und deprimiert (ich hatte das, was die modernen Musiker - nach der Farbe der Anomie und Hoffnungslosigkeit - den »Blues« nennen, denn meine Geliebte hatte mich wegen eines weißen Amerikaners verlassen, der Posaune spielte, dieses phallischste aller Instrumente, und mein Studium war so eintönig, geistlos und gestrig wie die ionischen Säulen und Plinthen, auf denen es basierte), und in meinem Trübsinn und Lebensüberdruss war ich einen Moment lang vor dem Schwarzen Brett neben dem Zimmer des Deans
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